Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Diaz hat Ermittlungen gegen die eigene Regierung und die Wahlbehörde eingeleitet. Die Wahlbeteiligung soll viel niedriger sein, als von der Wahlbehörde angegeben.
Wegen der Vorwürfe eines millionenfachen Wahlbetrugs hat die venezolanische Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Diaz Ermittlungen gegen die eigene Regierung und die Wahlbehörde eingeleitet. "Zwei Staatsanwälte ermitteln in diesem Betrugsfall bei der Wahl der Verfassungsgebenden Versammlung, nach einer Anzeige von Smartmatic", teilte sie am späten Mittwochabend in Caracas mit.
Der Fall ist brisant: Ortega stand lange fest an der Seite der Sozialisten, hat aber mit Präsident Nicolas Maduro gebrochen. Ortega soll schnellstmöglich des Amtes enthoben werden, zuletzt wurde sogar ihr Pass eingezogen. Sie ist eines der Gesichter der Proteste in Venezuela - sie kritisiert Maduros Pläne für eine Verfassungsgebende Versammlung scharf, deren 545 Mitglieder wurden Sonntag gewählt.
Es sei bewiesen, dass es Manipulationen gegeben habe, hatte zuvor der Chef der für die Wahlcomputer zuständigen Firma Smartmatic, Antonio Mugica, in London mitgeteilt. Demnach sei die Zahl der abgegebenen Stimmen viel niedriger als von der Wahlbehörde angegeben.
"Wir wissen, ohne jeden Zweifel, dass die Beteiligung bei der jüngsten Wahl für eine verfassungsgebende Versammlung manipuliert worden ist", sagte Mugica. Rund 8,1 Millionen Menschen beteiligten sich der Wahlbehörde zufolge - andere Schätzungen gehen von maximal knapp vier Millionen Menschen aus, was einer Wahlbeteiligung von gerade einmal rund 20 Prozent entspreche. Die Wahlbeteiligung ist entscheidend, weil sie Auskunft gibt über den Rückhalt für die Pläne des sozialistischen Staatschefs Maduro. Befürchtet wird die Umwandlung in eine Diktatur über den Hebel der Verfassungsreform.
Maduro kontert Betrugsvorwürfe
In der tiefen Staatskrise hat der sozialistische Staatschef Maduro unterdessen versucht, die Betrugsvorwürfe zu entkräften. Die Wahl kann von niemanden in den Schmutz gezogen werden, weil sie transparent war und vor, während und nach der Stimmabgabe überprüft wurde", sagte der Staatschef am Mittwoch (Ortszeit) in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache vor Anhängern. Zuvor hatte er die Opposition verantwortlich gemacht: Mehr als zwei Millionen Menschen hätten wegen der Blockaden und Proteste nicht wählen gehen können.
Die Vorwürfe brachten aber die Planungen der Sozialisten offenkundig durcheinander. Maduro verschob die ursprünglich für Donnerstag geplante Auftaktsitzung der neuen Verfassunggebenden Versammlung auf Freitag (17 Uhr MESZ). Die Sitzung solle "in Frieden" verlaufen, begründete Maduro den neuen Termin. Die Opposition hatte bereits zu Massenprotesten gegen das neue Gremium aufgerufen.
Die 545 Mitglieder sollen die aus dem Jahr 1999 stammende Verfassung reformieren und werden in der Nationalversammlung tagen. Dort hat das Parlament aber seinen Sitz, in dem das aus 20 Parteien bestehende Oppositionsbündnis "Mesa de la Unidad Democrática" über eine klare Mehrheit verfügt.
Als Kandidatin für den Vorsitz gilt die Ehefrau des sozialistischen Staatschefs Maduro, Cilia Flores. Die Opposition hatte die Wahl der Mitglieder am Sonntag boykottiert. Es standen praktisch nur Vertreter des Regierungslagers zur Wahl. Unklar ist, was mit den bisherigen Abgeordneten passieren soll. Die Opposition rief zu Massenprotesten und zur friedlichen Verteidigung des Parlaments auf.
(APA/dpa)