Die dunkle und helle Seite Langs

Helmut Langs Ausstellung ist in zwei Teile geteilt, am Friedrichshof und in der Wiener Innenstadt. Besonders die Skulpturen überzeugen.

Man kann schon eine gewisse Ehrfurcht bekommen, auch wer mit Mode nicht viel am Hut hat, wenn man vor einer der üppigen Material-Skulpturen von Helmut Lang steht, und unter einer dicken Schicht glänzenden schwarzen Kunstharz einen Reißverschluss hervorlugen sieht. Vielleicht gehörte er einmal zu einer der Hosen, für die viele Vieles geben würden? Oder zu einer Tasche, zu einer Jacke oder was auch immer des Kultlabels der 90er-Jahre. Helmut Lang prägte mit seinen minimalistischen Designs in weißen und schwarzen Schattierungen zumindest eine Generation.
Doch seit 2005 wird das Label ohne Lang geführt. Der konzentriert sich seither auf etwas, das ihn schon das ganze Leben begleitet hat, die bildende Kunst. Angefangen hat das mit seiner frühen Freundschaft zum Maler Kurt Kocherscheidt und zur Fotografin Elfie Semotan (die übrigens zur Zeit ebenfalls eine Ausstellung in Wien hat, in den Galerien Senn und Crone). Später, in New York schon, kam dann eine große Zuneigung zur alten Bildhauerin Louise Bourgeois, die sich für Langs Modelabel auch fotografieren ließ.
Jetzt macht Lang selbst Kunst, also Skulpturen und Reliefs und Videos. In seinem Haus auf Long Island, in den USA, das er nur noch selten verlässt, wie es scheint. Er kam nicht einmal zur Eröffnung seiner ersten Einzelausstellung in der Stadt, wo er 1956 geboren wurde. Der Kurator der „Sammlung Friedrichshof“, Hubert Klocker, hat Lang eingeladen, die beiden Ausstellungsorte der Genossenschaft, die aus der ehemaligen Mühl-Kommune hervorgegangen ist, zu bespielen – einen Raum neben der ständigen Präsentation der Aktionisten-Sammlung am burgenländischen Friedrichshof selbst, und den kleinen „Stadtraum“ in der Schleifmühlgasse, der zurzeit Sommerpause hat.
Dort ist die dunkle Seite der Macht zu sehen, sozusagen, die Beengtheit des Raumes steigert Lang noch durch das dichte Nebeneinander schwarzer Skulpturen und Reliefbilder, alle geformt aus schichtenweise gefundenem Material, Karton, Nägel, Textiles, ganz Verschiedenes, alles durch den späteren Überzug mit dem Harz vereinheitlicht. Der Mythos, hier baut Lang mit den Trümmern seiner alten Karriere, seiner Biografie, mit seinem geschredderten Archiv eine neue Existenz auf, hält allerdings nicht, es war nur eine Serie, erklärt Lang im Interview (siehe nebenan), die er mit diesem aufgeladenen Material schuf.

Wenige Designer werden Künstler. Es gibt übrigens nicht viele, die diesen Sprung von der Mode in die vielleicht noch snobistischere Kunstszene schaffen, neben Lang ist das Hedi Slimane, ehemals Chefdesigner von Yves Saint Laurent, der ebenfalls auch in der Mode ziemlich prägend und radikal war in den 2000er-Jahren. In seinen Fotos und Installationen dominiert eindeutig das Schwarz. Lang ist da ein wenig offener, er arbeitet auch in Weiß (hin und wieder gibt es tatsächlich auch Stelen und die typischen, phallusartigen Pfeiler in Rot- und Brauntönen). Der Raum am Friedrichshof aber ist eine Art weißes Spiegelbild des schwarzen Stadtraums, auch hier dieselben Formen, mit glänzendem Harz und Lack übergossene Zworzel und Reliefbilder, die in einer DNA mit den Materialbildern des Wiener Aktionismus nebenan schwingen.
Soweit man das bereits sagen kann, ist Langs Beitrag zur bildenden Kunst weniger originär, weniger den Zeitgeist nicht nur aufnehmend, sondern auch prägend, wie seine Mode es war. Aber in der Gesamtsicht mit der Ästhetik seiner Mode zusammen, wirken die schlichten Skulpturen und Reliefs, die durch ihre Texturen interessant werden, schlüssig. Schon in seiner Mode war bei Lang Weiß nicht nur Weiß und Schwarz nicht nur Schwarz, es ging um Schattierungen und Materialbeschaffenheit. Am besten gelingt ihm das mit den freistehenden Türmchen, geschichtet aus hunderten Materialschichten. Dann hat Lang sie entzweit, sie halbiert. In manchen ist eine Ausnehmung zu sehen, als wären sie ein Futteral für ein Geschoss oder eine Rakete. Oder wie einer dieser Kristalle, die man aufbrechen muss, um ihr glänzendes Inneres zu sehen. Gut ist das.
„Various Conditions“ am Friedrichshof in Zurndorf, Burgenland, bis 19. November, Besichtigung nach Voranmeldung unter Tel. 06767497682. Ausstellung im „Stadtraum“ von 4. September bis 14. November, Schleifmühlgasse 6, Wien 4, Di.–Fr. 14–18h

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