Die Femme fatale à la Lulu fasziniert immer noch, wie heuer auch die Salzburger Festspiele zeigen. Aber wo ist eigentlich der Homme fatal? Eine Spurensuche von Lord Byron über den Film noir bis heute.
Sie ist das Verderben der Männer, erdacht von Männern. Sie ist rätselhaft, dämonisch, lasziv. Ein Vamp, ein Weib mit einem „Ur“ davor. Ihre Weiblichkeit fordert und überfordert den Mann, besitzen lässt sie sich von ihm nicht. Sie erregt ihn – und erregt zugleich Angst, wie alles Ungezügelte. Sie kann berechnend sein, aber sie weiß auch nicht, was sie tut, ist ein vom Unbewussten geleitetes Naturwesen. Oder auch, wie Karl Kraus über Wedekinds Lulu sagte: „eine Seele, die sich im Jenseits den Schlaf aus den Augen reibt“.
Seit dem Fin de Siècle bringt die Femme fatale Unruhe in den männlichen Gefühlshaushalt, und offenbar interessiert sie nach wie vor: Heute, Donnerstag, hat Wedekinds „Lulu“ in der Urfassung von 1894 bei den Salzburger Festspielen Premiere. Dort tummeln sich übrigens heuer noch weitere Frauen, die ihren sexuellen Wünschen rücksichtslos folgen – Marie in Alban Bergs „Wozzeck“ und Katerina Ismailowa in Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“. Lulu hat ja eine eine ganze Reihe von Wesensverwandten im Fin de Siècle und den Jahrzehnten danach, von Oscar Wildes Salome bis hin zu Nabokovs Lolita.