Prominente Vertreter von Trumps Partei stellen sich gegen den Präsidenten und dessen Verharmlosung rechtsextremer Gewalt. Es ist ein innenpolitischer Wendepunkt in Washington.
Washington. Im Trump Tower von New York, an jenem Ort, an dem er vor mehr als zwei Jahren seine Präsidentschaftskandidatur bekannt gegeben hat, ist Donald Trump zu seinen populistischen Wurzeln zurückgekehrt. Nachdem er zu Wochenbeginn noch unter dem Druck der Öffentlichkeit die rechtsextremen Ausschreitungen in der Stadt Charlottesville verurteilt hatte, verteidigte Trump rund 24 Stunden später die Teilnehmer an dem rechten Aufmarsch und wies den Gegendemonstranten eine Mitschuld an der Gewalt zu.
Der Auftritt könnte den Präsidenten politisch teuer zu stehen kommen: In den Medien wird über den Rücktritt von Regierungsmitarbeitern spekuliert.
Mit der Stellungnahme im Trump Tower hat der Präsident den Konsens der bürgerlichen Politik der USA verlassen. Die Relativierung rechtsextremistischer Gewalt durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten ist ein bisher noch nie dagewesener Tabubruch. Bei seinem Auftritt legte der 71-Jährige jede Zurückhaltung ab. Er beschimpfte die Journalisten, überhäufte sich selbst mit Eigenlob und stellte die in Charlottesville aufmarschierten Rechtsradikalen auf eine Stufe mit Gegendemonstranten. In der Stadt in Virginia war am Samstag eine Frau getötet und waren 19 weitere Menschen verletzt worden. Teilweise schwer bewaffnete rechte Gruppen protestierten in Charlottesville gegen den geplanten Abriss eines Denkmals für den General Robert Lee, der im amerikanischen Bürgerkrieg für die sklavenhaltenden Südstaaten gekämpft hatte.
Lob von ganz rechts
„Nicht alle dieser Leute waren Neonazis“, sagte Trump bei der Pressekonferenz. Linke Gegendemonstranten seien „sehr gewalttätig“ gegen die rechten Demonstranten vorgegangen. Kritik übte Trump auch an den jüngsten Entscheidungen vieler Kommunen im amerikanischen Süden, Denkmäler zu Ehren des Kampfes der Südstaaten für die Sklaverei, im Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 abzureißen; damit werde Geschichte und Kultur verändert. Möglicherweise seien demnächst auch Denkmäler für Staatsgründer George Washington an der Reihe, denn auch dieser sei Sklavenbesitzer gewesen. Trump ignorierte bei dieser Bemerkung den Fortschritt zwischen Washingtons Zeit im späten 18. Jahrhundert, als die Sklaverei zur Normalität gehörte, und der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert, als sie geächtet wurde.
Trump habe bei der Stellungnahme im Trump Tower sein wahres Gesicht gezeigt, analysierte die „Washington Post“. Mit dem Verständnis für die rechten Demonstranten verdeutlicht der Präsident, dass es ihm vor allem um die Gefolgschaft rechter Wähler geht.
US-Medien berichten, das Weiße Haus habe die Republikaner aufgefordert, in öffentlichen Äußerungen die These des Präsidenten zu bestätigen, wonach sowohl rechte Protestierer als auch Gegendemonstranten für die Gewalt in Charlottesville verantwortlich gewesen seien. Dennoch übten prominente Republikaner wie Paul Ryan, Präsident des Repräsentantenhauses, sowie mehrere Senatoren zum Teil scharfe Kritik an Trump. Vertreter der Wirtschaft wenden sich ebenfalls von ihm ab. Mehrere Chefs von Großkonzernen und Gewerkschaftsverbänden traten aus Protest gegen Trumps Haltung aus einem Wirtschaftsbeirat des Präsidialamts aus.
Nach seinem Bekenntnis zugunsten der radikalen Rechten dürfte es für Trump noch schwieriger werden, wichtige Gesetzesentwürfe durch den Kongress zu bekommen. Sein Auftritt in New York sei ein Wendepunkt im Verhältnis zwischen dem Präsidenten und den Republikanern im Parlament gewesen, meldete die Nachrichtenwebsite Axios.
Auch innerhalb der Regierung brodelt es. Sollte jetzt ein ranghoher Berater des Präsidenten aus Protest gegen Trump seinen Hut nehmen, könnte dies eine Massenflucht von Mitarbeitern aus dem Weißen Haus auslösen.
Lob erhielt Trump vom rechten Rand. Er sei „wirklich stolz“ auf den Präsidenten, erklärte Richard Spencer, der Gründer der sogenannten Alternativen Rechten, die sich an den Protesten in Charlottesville beteiligt hatte. David Duke, ein ehemaliger Anführer des rassistischen Ku-Klux-Klans, dankte Trump für „Ehrlichkeit und Mut“. Für das kommende Wochenende sind neue Kundgebungen rechtsradikaler Gruppen geplant.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2017)