Kern setzt auf einen Befreiungsschlag bei Spenden mit 20.000 Euro Obergrenze und strengerer Kontrolle. Mit Ex-SPÖ-Chef Gusenbauer gibt es ein Vieraugengespräch zur Beraterrolle.
Wien. „Mag sein, dass ich das unterschätzt habe.“ SPÖ-Vorsitzender Christian Kern nahm sich symbolisch selbst bei der Nase. Nach den internen Reibereien im roten Wahlkampagnenteam war der SPÖ-Spitzenkandidat und Bundeskanzler zuletzt nach der Verhaftung des Beraters Tal Silberstein in Israel, von dem sich die SPÖ daraufhin getrennt hat, und wegen mangelnder Transparenz von Spenden an sein Personenkomitee in Schwierigkeiten geraten.
An diesem Sonntag geht Kern, beginnend in Kärnten, auf eine intensive Wahlkampftour. Am Freitag holte er vor Journalisten in der SPÖ-Zentrale in der Wiener Löwelstraße zu einem Befreiungsschlag aus: Sein Komitee sammelt keine Spenden mehr; die SPÖ verlangt eine Obergrenze von 20.000 Euro für Wahlkampfspenden; die Kontrolle wird ausgebaut. Nun sollten die anderen Parteien – gemeint war in erster Linie die ÖVP mit Sebastian Kurz – darauf eingehen.
Die ÖVP denkt vorerst nicht daran. „Wir kommentieren das nicht“, wurde der „Presse“ auf Anfrage in der ÖVP-Zentrale mitgeteilt. Begründung: „Kommentiert die SPÖ alle Aussagen der ÖVP?“ Die SPÖ-Vorschläge kommen zwar für diesen Wahlkampf ohnehin zu spät. Sicher ist aber, dass die ÖVP massiv betroffen wäre. Das gilt etwa für die Obergrenze von Großspendern. Allein KTM-Chef Stefan Pierer hat der Kurz-Partei 436.000 Euro gespendet.
• Fehler: Zu der für die SPÖ leidigen Beraterfrage gab sich Kern zugeknöpft. Zum langen Festhalten an Silberstein habe er in einem Facebook-Video („ein politischer Fehler“) alles gesagt. Kern erwartet durch die Causa „nicht den großen Sprung nach vorn“, wie er ironisch ergänzte.
• Gusenbauer: Die Berateraktivitäten des früheren Bundeskanzlers und SPÖ-Parteichefs Alfred Gusenbauer und dessen Kontakte zu Silberstein als auch nach Kasachstan bringen die SPÖ ebenfalls in die Bredouille. Kern kündigte dazu auf Befragen an, er werde diese Dinge mit Gusenbauer unter vier Augen ausmachen. Zuletzt hatte der PR-Berater und Pressesprecher von Ex-Finanzminister Josef Pröll, Daniel Kapp, im „Presse“-Gespräch süffisant in Richtung Kern erklärt, er würde ein Video des Kanzlers auf Russisch, Ukrainisch und Kasachisch auf seiner Agenturhomepage platzieren.
• Absage an Dirty Campaigning; Kern bemüht sich jetzt, in Sachen Wahlkampf, Spenden sowie Beratung einen Schlussstrich zu ziehen und in die Offensive zu kommen. So wurde ab sofort als Signal gegen Schmutzkampagnen („Dirty Campaigning“) die logistische Unterstützung der Plattform und Website politiknews.at eingestellt. Der SPÖ-Chef fühlt sich davon nicht unterstützt. Im Visier stand nicht zuletzt ÖVP-Spitzenkandidat Kurz. Umgekehrt hat die ÖVP fast gebetsmühlenartig wiederholt, sie wolle im Wahlkampf auf das Anpatzen anderer verzichten.
• Notbremse bei Wahlkampfspenden: Das Personenkomitee bzw. der dahinter stehende Verein werden keine Spenden mehr sammeln oder annehmen. Damit werden Konsequenzen aus der Kritik gezogen. Nicht nur die ÖVP hatte zuvor angeprangert, mit einer solchen Konstruktion würden Transparenzregeln zur Wahlkampffinanzierung umgangen. Kern ist nun für besonders strenge Regeln. Lobbyistengruppen, mit denen die Transparenzregeln unterlaufen werden, sollen verboten werden.
• Maximal Spenden von 20.000 Euro: Der SPÖ-Chef fordert, Einzelspenden mit 20.000 Euro zu begrenzen. Damit griff er einen ähnlichen Vorschlag der Grünen aus dieser Woche auf. Die Kanzlerpartei möchte zugleich aus der Not eine Tugend machen. Während es für die Volkspartei und Kurz bereits Spenden von mehr als einer Million Euro gegeben hat, hinkt die SPÖ hinterher. Begründet wird das Limit damit, Einfluss von Unternehmen auf die Politik hintanzuhalten.
• Strengere Kontrolle: Kern tritt für einen Ausbau der Kontrolle der Wahlkampffinanzierung ein. Überschreitet eine Partei den Finanzrahmen von maximal sieben Millionen Euro, so soll sie das Zehnfache der Summe, die über das Limit hinausgeht, als Strafe zahlen. Derzeit sind nur 30 Prozent der überzogenen Summe fällig. Überdies seien die Kontrollmechanismen „viel zu weich“. Ein Wirtschaftsprüfer soll mit Minderheitsrecht vom Nationalrat bestellt werden und diesen direkt informieren. (ett)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2017)