Merkel rechtfertigt härteren Kurs gegen die Türkei

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel bei der Bundespressekonferenz in Berlin
Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel bei der Bundespressekonferenz in BerlinAPA/AFP/TOBIAS SCHWARZ
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Die deutsche Kanzlerin wirbt bei Deutsch-Türken um Verständnis für ihre restriktivere Türkei-Politik. Eine EU-Zollunion mit der Türkei werde Deutschland weiterhin blockieren.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die türkeistämmigen Menschen in Deutschland um Verständnis für das harte Vorgehen ihrer Regierung gegenüber Ankara gebeten. "Ich würde sehr gerne bessere Beziehungen zur Türkei haben, aber wir müssen die Realität betrachten", sagte Merkel am Dienstag in ihrer Sommerpressekonferenz in Berlin. Merkel kritisierte, dass mehrere deutsche Staatsbürger von den türkischen Behörden eingesperrt wurden. Diese Verhaftungen seien nicht gerechtfertigt, sagte Merkel: "Wir haben uns deshalb entschieden, eine Neuorientierung der Türkei-Politik vorzunehmen." Dies habe leider auch Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Beziehungen zur Türkei: "Das bedauere ich, aber das ist geboten."

"Komplizierte Phase" in Beziehungen zu Ankara

Eine Verbesserung hänge mit der "Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien" zusammen, erklärte die Kanzlerin. "Die sehen wir im Augenblick in der Türkei nicht gewährleistet." Außerdem gebe es die "ganz eindeutige Forderung", "dass eine ganze Reihe von Menschen freigelassen werden". Derzeit sitzen nach Angaben des Auswärtigen Amtes zehn deutsche oder deutsch-türkische Staatsbürger aus politischen Gründen in der Türkei im Gefängnis, darunter die Journalisten Deniz Yücel und Mesale Tolu sowie der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner. Merkel sprach von einer "sehr komplizierten Phase" in den deutsch-türkischen Beziehungen.

Die Bundeskanzlerin stellte klar, dass Deutschland auch weiterhin Gespräche der EU mit der Türkei über eine Ausweitung der Zollunion blockieren werde: "Ein Mandat zur Erweiterung der Zollunion sehe ich unter den gegenwärtigen Umständen nicht." Dies werde sie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auch am Mittwoch bei dessen Besuch in Berlin sagen. Die EU-Staaten müssten der EU-Kommission einstimmig ein Mandat für Verhandlungen mit der Türkei geben, betonte Merkel: "Wir sehen nicht als Bundesregierung, dass wir in den nächsten Monaten ein Mandat erteilen könnten, um über die Zollunion zu sprechen."

Den türkischen Vorwurf, die EU halte ihren Teil des Flüchtlingsabkommens nicht ein, wies Merkel zurück. So sei ein Großteil der zugesagten drei Milliarden Euro an Projekte gebunden, die teils noch nicht umgesetzt seien. Bei der in Aussicht gestellten Visa-Freiheit für Türken in der EU habe die Türkei Teile der Voraussetzungen dafür noch nicht erfüllt.

"Wir können bei Polen nicht den Mund halten"

Eine Mahnung richtete die deutsche Kanzlerin aber auch an die Regierung in Warschau: So sehr sich Deutschland gute Beziehungen zu Polen wünsche, "wir können da nicht einfach den Mund halten". Die Frage der Rechtsstaatlichkeit in Polen sei ein "ernstes Thema". Es gehe dabei um die Grundlagen der Zusammenarbeit in der EU. Zwar sei der Zusammenhalt der EU-Staaten gerade angesichts des geplanten Austritts von Großbritannien sehr wichtig, trotzdem dürfe die Rechtsstaatlichkeit nicht vernachlässigt werden. Die EU-Kommission hat der nationalkonservativen Regierung in Warschau wegen ihrer umstrittenen Justizreformen im Juli mit Sanktionen bis zur Einleitung eines Verfahrens zum Stimmrechtsentzug auf europäischer Ebene gedroht. Dafür wäre aber die Einstimmigkeit der EU-Staaten nötig und Ungarn kündigte bereits sein Veto an. Polen hatte am Montag die Einwände Brüssels erneut zurückgewiesen und erklärt, diese seien "ohne Grundlage".

(APA/dpa/Reuters)

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