Jungstürmer Timo Werner, 21, hatte beim deutschen Anhang einen schweren Stand. Sechs Tore in acht Spielen brachten ihm die Zuneigung der Fans und die Adelung zum Hoffnungsträger für die WM-Titelverteidigung.
Stuttgart/Wien. Zum ersten Mal erklangen die Sprechchöre in Stuttgart in der 17. Minute, als Timo Werner mit einer Grätsche in der eigenen Hälfte den Ball eroberte. Der Stürmer von RB Leipzig bedankte sich mit zwei Toren – Nummer fünf und sechs im achten Länderspiel – und war nach Deutschlands 6:0-Erfolg im WM-Qualifikationsspiel gegen Norwegen der gefeierte Mann. „Herzlich“ habe er den Empfang der Fans an seiner alten Wirkungsstätte empfunden, eine zuletzt rar gewordene Erfahrung für den 21-Jährigen.
Schon sein Wechsel von Absteiger Stuttgart zu Aufsteiger Leipzig im vergangenen Sommer hatte viele VfB-Anhänger erzürnt, eine Schwalbe gegen Schalke im Dezember ließ ihn plötzlich in fast allen Fankurven des Landes zur persona non grata avancieren. Eine Entschuldigung konnte nichts daran ändern, dass seine Auftritte fortan von Pfiffen, Buhrufen und Schmähungen begleitet wurden – auch im DFB-Trikot. Ausgerechnet die Rückkehr nach Stuttgart mit dem Nationalteam brachte Werner nun die so lang verwehrte Zuneigung von den Rängen. „Ich hatte keine Erwartungen. Dass es sich so entwickelt hat, ist umso schöner. Ich habe hier viele schöne Jahre gehabt“, gestand der Confed-Cup-Sieger nach dem Schlusspfiff.
Immer wieder hatte Werner in den letzten Monaten betont, sich nicht mit der Thematik zu beschäftigen, nur glauben wollte bzw. konnte ihm das kaum jemand. Es war schließlich eine gewaltige Last auf den Schultern des noch jungen Profis und so war ihm die Erleichterung in Stuttgart auch deutlich anzuhören. „Nach der ganzen Geschichte freut es mich doppelt. Als Spieler hat man es gern, wenn man von den eigenen Fans bejubelt wird.“
Lob in höchsten Tönen
DFB-Teamchef Joachim Löw hatte sich in der schwierigen Phase stets hinter Werner gestellt. „Was passiert ist, fand ich peinlich und völlig überzogen“, kritisierte der 57-Jährige und schwärmte anschließend von seinem Goalgetter: „Er macht das, was dem Gegner extrem weh tut, weil er diesen brutalen Zug zum Tor und diese Schnelligkeit hat.“
Nach dem Arbeitssieg in Tschechien überzeugte die DFB-Auswahl gegen völlig überforderte Norweger auch spielerisch und kann bereits für die WM in Russland planen, obgleich Nordirland die endgültige Qualifikation auf Oktober vertagte. Werner überzeugte als Mittelstürmer vor der Kreativachse Draxler-Özil-Müller und läutete das endgültige Ende der Ära falscher Neuner ein. „Als Stürmer Nummer eins würde ich mich noch nicht bezeichnen. Ich muss mich immer wieder zeigen“, meinte der 21-Jährige.
Die Adelung vollzog schließlich Mario Gomez, der eine Lobeshymne auf seinen Konkurrenten im Angriffszentrum formulierte. „Er wird die nächsten zehn Jahre in Deutschland im Sturm dominieren. Wahrscheinlich auch in Europa, wenn er weiter macht wie bisher. Er ist so klar in der Birne und macht das grandios“, anerkannte der 32-Jährige neidlos. Um 2018 wieder Weltmeister zu werden, so Gomez, brauche es „einen Timo Werner in dieser Form.“ (swi)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2017)