Kapitalmarkt

Wird die Wiener Börse noch schlanker?

(c) Marin Goleminov
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Eine aktuelle OGH-Entscheidung zum Delisting zeigt, wie dringend Österreich das neue Börsegesetz 2018 braucht. Es soll den Wiener Börsenplatz attraktiver machen und Anleger besser schützen. Doch Experten bezweifeln, dass die Neuregelung geglückt ist.

Wien. Den Gang an die Börse wägt jede Aktiengesellschaft (AG) lang und genau ab, egal, welchen Handelsplatz sie wählt. Wollte ein Unternehmen jedoch seine Aktien an der Wiener Börse handeln, hatte es noch einiges mehr zu bedenken: „Für eine börsenotierte AG war ein freiwilliger Rückzug von der Börse im Amtlichen Handel nicht möglich. Insofern mussten Unternehmen andere Wege suchen, um ein Delisting herbeizuführen“, sagt Rechtsanwalt Michal Dobrowolski (Freshfields). „Die fehlende Rückzugsmöglichkeit war für den Standort Wien stets ein Wettbewerbsnachteil. Deutschland, Polen Italien, Großbritannien, ja auch Kroatien sehen ein freiwilliges Delisting in ihren Rechtsordnungen vor.“

BWT scheiterte mit Delisting

Aber wie kann man Umstände herbeiführen, die ex lege zu einem Delisting führen? „Der Ausschluss von Minderheitsaktionären, also Sqeeze-outs, sind eine Variante, die aber erst ab einer Beteiligung des Hauptaktionärs von 90 Prozent möglich ist“, sagt Dobrowolski. Aber auch Umgründungen und Verschmelzungen sind mögliche Strategien. Dass sie nicht immer aufgehen, musste allerdings unlängst das Wassertechnologieunternehmen BWT zur Kenntnis nehmen („Die Presse“ berichtete). Ihr Mehrheitseigentümer Andreas Weißenbacher wollte die börsenotierte BWT auf eine nicht börsenotierte Tochtergesellschaft verschmelzen und so ein Delisting herbeiführen. Kleinaktionäre sahen sich auf diese Weise um ihre Abfindung gebracht und wehrten sich. Mit Erfolg, der Oberste Gerichtshof gab ihnen recht. Während Anleger meinen, die Entscheidung (6Ob/221/16t) habe „Signalkraft für den Kapitalmarkt“, sehen sie viele andere Juristen kritisch. Für Rechtsanwalt Nadal Karaman (Eisenberger & Herzog) kommt sie jedenfalls „überraschend, nachdem die Vorinstanz den Sachverhalt rechtlich anders gewürdigt hat. Aber der OGH glaubt, in dem konkreten Fall eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der börsenrechtlichen Vorschriften zu erkennen, die einen freiwilligen Rückzug aus dem amtlichen Handel verbieten.“ Auch Anwalt Dobrowolski äußert Bedenken: „Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, dass ein börsenotiertes Unternehmen nicht auf ein nicht börsenotiertes verschmolzen werden darf. Überdies argumentiert der OGH mit Rechtsmissbrauch – der sich erfahrungsgemäß am schwierigsten nachweisen lässt.“

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