US-Ökonom Samuelson gestorben: Abschied einer Legende

(c) AP (Daniel Lippitt)
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Der bedeutende US-Ökonom und Nobelpreisträger Paul A. Samuelson ist tot. Die Ideen des Neokeynesianers erhalten in der Krise hingegen neuen Aufwind.

Wien. „Ich wusste von Anfang an, dass es ernst werden würde“, urteilte der US-Ökonom Paul Anthony Samuelson vor wenigen Monaten über die Wirtschaftskrise, „weil es Leute wie ich waren, die all diese wundervollen Derivate erschaffen haben.“ Die Firmenchefs hätten nicht einmal verstanden, worauf sie sich da einlassen.

In der Nacht auf Montag starb der US-Amerikaner im Alter von 94 Jahren – und mit ihm einer der bedeutendsten Volkswirtschaftler des vergangenen Jahrhunderts. Die Ideen, die er vertrat, feiern in der Krise hingegen eine regelrechte Auferstehung. Als Vertreter der neokeynesianischen Schule, einer Synthese aus Neoklassik und Keynesianismus, vertraute er zwar dem Gedanken des Marktgleichgewichts, hielt das aktive Eingreifen des Staates dennoch für unumgänglich. Seit den Siebzigern sank der Einfluss der Keynesianer. Heute suchen die Regierungen wieder Halt in der alten Theorie.

Herr der Wirtschaftslehrbücher

Samuelsons wirtschaftliches Denken war geprägt von den Erfahrungen, die er als Teenager in der Großen Depression sammeln musste. 1932 saß der damals 17-Jährige zum ersten Mal in einer Wirtschaftsvorlesung an der Universität von Chicago. Eine „Neugeburt“, schwärmte der Ökonom noch im hohen Alter. Überzeugende Antworten auf die Fragen, die die Krise damals aufgeworfen hatte, fand der junge Student in der dort unterrichteten Neoklassik aber keine. Er wechselte nach Harvard, studierte dort etwa unter dem Österreicher Josef Schumpeter und wurde mit den Lehren von John Maynard Keynes vertraut. Ab 1940 lehrte er bis zu seiner Emeritierung selbst am Massachusetts Institute of Technology (MIT).

1970 erhielt Samuelson den zweiten je vergebenen Wirtschaftsnobelpreis. Der Wissenschaftler habe „bedeutende Teile der ökonomischen Theorie schlicht neu geschrieben“, urteilte das Nobelpreiskomitee damals. Noch heute füllen seine Ideen jedes Lehrbuch. Mehr als sechs Dekaden nach der Erstauflage ist das über tausend Seiten dicke Standardwerk „Einführung in die Volkswirtschaftslehre“ weiter ein – nicht mehr gänzlich unumstrittener – Verkaufsschlager.

Als Berater der beiden demokratischen Präsidenten John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson hat Samuelson die Wirtschaftspolitik der Vereinigten Staaten mitbestimmt. Ein offizielles Amt lehnte der Wissenschaftler jedoch ab. „Ich interessiere mich nicht dafür, wer die Gesetze eines Landes schreibt“, erklärte der Ökonom – „solange ich seine Wirtschaftslehrbücher schreiben kann.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2009)

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