Norwegen: "Eiserne Erna" vor erneutem Sieg

Der Trend in Norwegen zu bürgerlichen Parteien und klar rechts davon hat sich nach einem kurzen linken „Durchhänger“ erholt.
Der Trend in Norwegen zu bürgerlichen Parteien und klar rechts davon hat sich nach einem kurzen linken „Durchhänger“ erholt.(c) imago/Pacific Press Agency
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Bei der Parlamentswahl heute dürfte die bürgerlich-rechtspopulistische Minderheitsregierung Erna Solbergs knapp gewinnen. Viel hängt davon ab, welche Kleinpartei sie unterstützt.

Oslo/Stockholm. Wenn der schwerreiche nordische Ölstaat Norwegen – mit 5,2 Millionen Einwohnern liegt er beim BIP pro Kopf unter den Top Ten der Welt – heute ein neues Parlament, das Storting, wählt, dürfte es spannender werden als sonst in dem eher kühl-entspannten Land: Überraschend führt der Rechtsblock der amtierenden Ministerpräsidentin, Erna Solberg (56), die Umfragen knapp an. Sie könnte erstmals in 100 Jahren sogar etwas mehr Stimmen auf ihre Høyre-(Rechte)Partei vereinen als ihr sozialdemokratischer Widersacher Jonas Gahr Støre (57).

„Erna er stjerna“ (Erna ist der Star) lautet der banale, aber wirksame Wahlspruch der resoluten, auch „Eiserne Erna“ genannten Ministerpräsidentin, die seit 2013 eine Minderheitsregierung führt. Dabei blickt Solberg, die aus dem südnorwegischen Bergen, Europas regenreichster Stadt, stammt, auf harte Regierungsjahre zurück. Erstmals hat sie beim Amtsantritt 2013 die rechtspopulistische Fortschrittspartei (FrP), bei der der Massenmörder Anders Behring Breivik Mitglied gewesen war, in die Regierung geholt. „Es ist das erste Mal, dass eine rassistische Partei in der Regierung ist. Das ist eine Katastrophe, von der ich nie geglaubt habe, dass sie eintrifft“, sagte damals der Rechtsextremismusexperte Henrik Arnstad.

„Imamen den Rücken lecken“

Weder die liberale Venstre-(Linke)-Partei noch die Christdemokraten wollten mit der FrP in einer Koalition sein, stützten die Minderheitsregierung dann aber doch indirekt. Indes, ständig gab es Streit. Erst kürzlich kritisierte Einwanderungsministerin Sylvi Listhaug (FrP) die Christdemokraten, weil sie angeblich „Imamen den Rücken lecken“. Die FrP gilt trotz markiger Sprüche über muslimische Einwanderer, die sich laut Listhaug etwa mit Schweinefleisch und Alkohol anfreunden sollten, vielen Norwegern als relativ moderat. In der Tat ist sie vor allem mit der Forderung, mehr Geld aus den Öleinnahmen für Steuersenkungen und Wohlfahrt auszugeben, statt es zu sparen, groß geworden. Doch in der Regierung wurde sie farblos, musste Kompromisse schließen, verlor ihre attraktive Protestaura und, in Umfragen, zunächst ein Drittel ihrer Wähler (2013 kam sie mit 16,3 Prozent auf Rang drei).

Seit 2014 machen Norwegen niedrigere Ölpreise zu schaffen. Die Ölindustrie strich rund 50.000 Stellen, die Arbeitslosigkeit stieg auf 4,3 Prozent. Umfragen sahen den von den Sozialdemokraten geführten Linksblock voran. Die Linke zeichnete im Wahlkampf ein düsteres Bild des Landes, das am Ende seiner „goldenen Ära“ und vor einer „Schicksalswahl“ stehe. Doch das glauben die Norweger kaum noch, denn dank besserer Wirtschaftsdaten wendete sich heuer das Blatt für Solberg und die Rechtspopulisten, die nun mit je gut 24 bzw. 17 Prozent ungefähr wieder auf dem Niveau von 2013 liegen. Beide hätten Norwegen gut aus der Krise geführt, heißt es.

Ölindustrie ausbauen

Dank eines riesigen Ölfonds, in den Norwegen jährlich rund 96 Prozent der Öleinnahmen investiert, hat das Land nahezu unendliche Reserven. Der kleine Rest wird teilweise in Konjunkturankurbelung gesteckt. Solberg will entgegen der rot-grünen Opposition die Öl- und Gassuche verstärken, auch in ökologisch sensiblen arktischen Gewässern, um die niedrigeren Einnahmen auszugleichen. Auch will sie den Wohlfahrtsstaat durch niedrigere Steuern indirekt weiter ausbauen, während die Sozialdemokraten dazu vor allem noch höhere Steuern für Besserverdienende wollen. Sozialabbau ist kein Thema. Sonst sind die politischen Unterschiede in Norwegen, das oft von Minderheitsregierungen geprägt ist, nicht extrem groß.

Die Regierungsbildung wird auch vom Abschneiden der Kleinparteien abhängen: Sollte etwa Venstre (2013: 5,2%) nicht über die Vier-Prozent-Hürde kommen, wird das Regieren schwierig für Solberg. Auch ist fraglich, ob die Christdemokraten wieder eine Regierung mit der FrP stützen. Die an sich stärkste Partei – die Sozialdemokraten – verlor in Umfragen mit 25,8% fünf Prozent gegenüber 2013. Die bisher unerheblichen Grünen könnten erstmals über vier Prozent kommen; sie fordern übrigens, die Öl- und Gasförderung binnen 15 Jahren zu stoppen. Was die mit Abstand stärkste Säule der Wirtschaft ersetzen könnte, ist unbekannt.

ZUR PERSON

Erna Solberg (*1961 in Bergen) führt seit 2004 die konservative Partei Høyre und ist seit 2013 Ministerpräsidentin Norwegens. Sie studierte Soziologie und Sozialökonomie, ist verheiratet und hat zwei Kinder. [ Reuters ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2017)

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