Türkei: Zwei Tote bei Kurden-Protesten

Proteste in Istanbul
Proteste in Istanbul(c) EPA (SEDAT SUNA)
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Im Südosten der Türkei feuerte ein Händler auf Demonstranten, die gegen das Verbot der Kurdenpartei DTP protestierten. Seit dem Parteiverbot am Freitag sind Ausschreitungen an der Tagesordnung.

Am Rande von Protesten gegen das Verbot der Kurdenpartei DTP sind in der Türkei zwei Menschen erschossen worden. Nach Behördenangaben feuerte ein Händler in Bulanik in der südosttürkischen Provinz Mus am Dienstag auf Demonstranten, die sein Geschäft plündern wollten. Seit das türkische Verfassungsgericht am vergangenen Freitag die Auflösung der DTP angeordnet hat, reagieren die Kurden mit gewalttätigen Demonstrationen.

Schüsse auf Demonstranten

Der Vize-Gouverneur von Mus, Ali Edip Budan, sagte, die Menge habe sich auf der Hauptstraße der 40.000-Einwohner-Stadt Bulanik versammelt. Mehrere Geschäfte und eine Bank wurden den Angaben zufolge verwüstet, offenbar weil sich die Inhaber nicht dem Protest angeschlossen hatten. Ein wütender Ladenbesitzer habe mit einem Sturmgewehr auf eine Gruppe von Demonstranten geschossen und zwei von ihnen getötet, sagte Budan. Sieben weitere Menschen seien verletzt worden.

Die Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi berichtete, der Schütze und Dutzende Demonstranten seien festgenommen worden. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete, dass die Polizei an den Eingängen der Stadt Kontrollposten einrichtete. Die Lage in der Stadt war am auch Nachmittag angespannt. Die Behörden schlossen allerdings aus, dass der ethnische Konflikt zwischen Türken und Kurden das Motiv des Schützen war.

Proteste in Istanbul

In Istanbul und Diyarbakir, der größten Stadt der Kurdengebiete, gab es ebenfalls neue Proteste. In Diyarbakir löste die Polizei gewaltsam einen Protestzug von rund 10.000 Demonstranten auf. Wie ein AFP-Korrespondent berichtete, warfen die Teilnehmer des Protests Steine auf die Sicherheitskräfte, die ihrerseits Wasserwerfer und Tränengas einsetzten.

Auch in Istanbul kam es erneut zu Ausschreitungen. Rund 60 Demonstranten lieferten sich am Sonntagabend Straßenschlachten mit der Polizei, wie die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Kurdische Jugendliche setzten im Stadtteil Gaziosmanpasa Geschäfte und Autos in Brand. Zu ähnlichen Zusammenstößen kam es noch in drei weiteren Vierteln der Metropole.

Verbot wegen PKK-Nähe

Das Verfassungsgericht in Ankara hatte die DTP wegen ihrer Verbindungen zur kurdischen Rebellenorganisation PKK verboten. Zwei der 21 DTP-Abgeordneten im Parlament in Ankara, darunter Ko-Parteichef Ahmet Türk, sowie 35 weitere DTP-Vertreter wurden darüber hinaus mit Politikverbot belegt. Die Entscheidung löste am Wochenende Ausschreitungen im mehrheitlich von Kurden bewohnten Südosten des Landes aus. In der Metropole Istanbul lieferten sich kurdische Jugendliche und türkische Nationalisten schwere Straßenschlachten.

Die DTP sitzt seit 2007 als erste kurdische Fraktion der türkischen Geschichte im Parlament. Die Abgeordneten sollten am Mittwoch kollektiv ihre Mandate niederlegen. Hierzu ist jedoch auch die Zustimmung des Parlaments nötig, was an der islamisch orientierten Regierungspartei AKP scheitern könnte. Die AKP fürchtet, dass der Rückzug der DTP-Abgeordneten ihrer Versöhnungspolitik zwischen Türken und Kurden entgegenläuft.

Kritik von Kurden

Die Regierung der autonomen Region Kurdistan im Nordirak kritisierte am Dienstag die Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichts. Sie hoffe, dass das Urteil die Lösung des Kurdenkonflikts nicht gefährde, hieß es in einer in Arbil veröffentlichten Erklärung.

(Ag.)

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Kommentare

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