Das Koller-Exempel oder: Maximal haltbar bis zum Ende des Hypes

Marcel Koller
Marcel Koller(c) APA/ROBERT JAEGER
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Ein paar Gedanken zum Ablaufdatum von (politischem) Spitzenpersonal anlässlich der Trennung vom österreichischen Fußballteamchef.

Gerade einmal fünfzehn Monate ist es her, da fand am 14. Juni 2016 in Bordeaux bei der Fußballeuropameisterschaft das erste Gruppenspiel der österreichischen Nationalmannschaft gegen Ungarn statt. Die Begeisterung für das Team war auf einem unerreichten Höhepunkt, vor allem aber Marcel Koller avancierte zu einer Art Nationalheiligem. Der Schweizer galt damals in Österreich nicht nur als Fußballguru mit Zauberkräften, sondern verkörperte die ideale Führungskraft schlechthin. Die „Koller-Methode“ – unaufgeregtes, beharrliches, kompetentes Arbeiten jenseits von Verhaberung und Gefallsucht – war plötzlich das Maß aller Dinge, auch als Best-Practice-Beispiel für Wirtschaft und Politik.

Was danach geschah, kann als bekannt vorausgesetzt werden. Am Freitag vergangener Woche wurde jedenfalls entschieden, dass Kollers Vertrag beim ÖFB mangels Erfolg am Ende des Jahres ziemlich sang- und klanglos auslaufen wird. Große Proteste der vor Jahresfrist noch unüberschaubar großen Koller-Gemeinde sind allerdings nicht überliefert. Im Gegenteil: Es herrscht eher Unmut darüber, dass der Schweizer noch zwei Spiele des Nationalteams coachen darf und damit wertvolle Zeit vergeudet wird.

Fußballtrainer werden eben gefeiert oder gefeuert, ihr Job sei maximal ergebnisabhängig, und Kollers Zahlen seien zuletzt einfach nicht gut genug gewesen, werden viele einwenden. Und entsprechende Parallelen zu den Mechanismen in der Politik ziehen. Schon richtig, nur ist die Hopp-oder-tropp-Mentalität samt irrationaler Erwartungshaltung gegenüber Messiasgestalten auch im Zusammenhang mit politischem Spitzenpersonal auffallend.

Erst im Jänner dieses Jahres präsentierte Christian Kern unter dem ungeteilten Jubel seiner Anhänger und der kritisch-beunruhigten Beobachtung seiner politischen Gegner in einer zumindest für Österreich neuen Art sein politisches Programm für die nächsten zehn Jahre. Im September 2017 wird auch in der SPÖ nur mehr darüber diskutiert, wer den Bundeskanzler nach der sicher scheinenden Wahlniederlage ablösen wird. Typisch auch: Der derzeit meistgenannte Nachfolgekandidat, Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, dessen Beliebtheitswerte direkt mit seiner Haltung in der Asylpolitik korrelieren (Standpunkte zu anderen Politikfeldern sind bisher nicht bekannt), ist selbst gerade erst einmal eineinhalb Jahre in der Politik. Aber zeitweilige Zustimmung gerade über dem Durchschnitt ist offenbar als Qualifikation für einen Parteivorsitz schon ausreichend.

Bei der ÖVP ist die Kurzatmigkeit in Personalfragen an der Parteispitze ohnehin schon Bestandteil der DNA. Nur allzu genau ist die Euphorie samt guter Umfragewerte bei der Amtsübernahme durch Reinhold Mitterlehner noch in Erinnerung. Die Renaissance der Volkspartei lag für diejenigen, die es glauben wollten, in der Luft, der bedächtige Mitterlehner ließ sich als draufgängerischer Django inszenieren. Das war im Sommer 2015. Nun soll also Sebastian Kurz es sein, der seiner Partei die Mehrheit zurückbringt. Man kann schon gespannt sein, wer noch Teil der türkisen Bewegung gewesen sein will, falls es einmal nicht mehr so gut läuft.

Doch es wäre unfair, diese immer kürzeren Begeisterungszyklen in der Politik als rein österreichisches Phänomen zu beschreiben. Beim deutschen Nachbarn, der schon am kommenden Sonntag sein Parlament und damit die Regierungschefin neu wählt, konnte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nur einige Wochen als echter Herausforderer für Angela Merkel gelten. Schulz' gute Umfragewerte hielten nicht länger als ein Becher Sauerrahm.

Eine andere Spielart des Phänomens ist in Frankreich zu beobachten. Dort wird Emmanuel Macron, der gerade seine fünfjährige (!) Amtszeit als Präsident begonnen hat, ständig an seinen aktuellen Umfragewerten gemessen. Was vergessen wird: Macron wurde erst gewählt, kann/soll nun regieren, ob die Franzosen das Ergebnis goutieren, wird erst bei der nächsten Wahl relevant.

Und wir sind gespannt, wer dann Bundeskanzler ist. Und wer Teamchef.

E-Mails an:florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2017)

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