Zähes Ringen um die Google-Steuer

Deutschlands Finanzminister Schäuble: „Große Unternehmen der digitalen Ökonomie sollen ihren fairen Anteil leisten.“
Deutschlands Finanzminister Schäuble: „Große Unternehmen der digitalen Ökonomie sollen ihren fairen Anteil leisten.“(c) APA/AFP/RAIGO PAJULA
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In der EU herrscht grundsätzliche Einigkeit über die Besteuerung von Internetgiganten. Bei der Umsetzung hakt die Sache aber. Übrig bleiben könnte eine zusätzliche Umsatzsteuer.

Wien. „Grundsätzlich“ ist die Sache klar: Die (noch) 28 EU-Staaten wollen nicht länger akzeptieren, dass große Internetkonzerne Milliardengewinne auf ihren Territorien erzielen, aber kaum Gewinnsteuern bezahlen. Zum einen werden diese Gewinne (wie auch bei globalen Konzernen der Old Economy nicht unüblich) so lange hin und hergeschoben, bis sie schlussendlich in einer Steueroase landen.

Zum anderen scheitert die Gewinnbesteuerung schon daran, dass Internetriesen nicht unbedingt besteuerbare Betriebsstätten in den Ländern, in denen sie tätig sind, unterhalten. Netflix beispielsweise kann seine TV-Serien von überallher streamen. Da fällt in den EU-Ländern dann zwar von den Konsumenten zu bezahlende Mehrwertsteuer an, aber ein besteuerbarer Gewinn ist nicht greifbar. Ein unhaltbarer Zustand.

Dem will die EU nun, wie die Finanzminister bei ihrem Treffen in Tallinn (Estland) „grundsätzlich“ beschlossen haben, den Garaus machen. Österreich wird dem nicht im Wege stehen: Alle drei „bundeskanzlerverdächtigen“ Parteien haben die „Google Tax“, wie die angestrebte Digitalsteuer auch genannt wird, im Wahlprogramm.

Das Problem dabei: Sie werden es im kleinen Österreich, selbst wenn sie wirklich wollen, nicht autonom umsetzen können. Die Steuerflucht großer Internetkonzerne ist ein globales Problem, und kann wirklich zufriedenstellend wohl nur global (also im Zusammenspiel zumindest aller großen Wirtschaftsblöcke) gelöst werden.

Das ist aber völlig unrealistisch. Allerdings: Wenn ein großer Wirtschaftsblock, beispielsweise die EU, vorprescht, dann sind die Realisierungschancen nicht so schlecht. Größere Probleme in einem Markt mit einer halben Milliarde (aus globaler Sicht überdurchschnittlich kaufkräftiger) Konsumenten können auch Giganten wie Google, Amazon und Co. nicht einfach riskieren. Dazu müsste die EU freilich einig auftreten. Und davon ist sie derzeit noch ziemlich weit entfernt, auch wenn die Finanzminister „grundsätzlich“ der Meinung sind, dass etwas geschehen muss.

Süße Steuerzuckerl

Schon die Interessenslagen sind ziemlich unterschiedlich. Immerhin gibt es auch in der EU ein paar Steueroasen für Unternehmen. Und es gibt Länder wie Irland, die die Europazentralen von Internetgiganten mit sehr süßen Steuerzuckerln angelockt haben. Die können bei einem gemeinsamen Vorgehen der EU gegen die Steuervermeidungspraktiken der Konzerne nur verlieren. Tatsächlich kommen Widerstände gegen die EU-Vorgehensweise nicht nur aus skandinavischen Ländern, sondern auch aus Ländern wie Luxemburg, Malta und Irland.

Gravierender noch sind aber technische Fragen. Zum Beispiel: Wie ermittelt man den Gewinn eines Unternehmens in einem Land, in dem es keine Betriebsstätte hat? Wenn Netflix, um noch einmal auf den Streaming-Giganten zurückzukommen, TV-Filmchen nach Österreich streamt, kann man sehr leicht den Umsatz (als Basis für die Mehrwertsteuer) ermitteln, aber sehr schwer, welcher Gewinn hier anfällt.

Estland hat für solche Fälle vorgeschlagen, Zugriffszahlen als Basis für die Ermittlung zu nehmen. Man würde den Gesamtgewinn des Unternehmens also beispielsweise auf Basis der „Klicks“ in den einzelnen Ländern aufteilen.

Digitale Betriebsstätten

Das kommt dem Konzept der „digitalen Betriebsstätte“ nahe, deren Schaffung beispielsweise in den Wahlprogrammen von SPÖ und ÖVP enthalten ist. Das wäre, vereinfacht gesagt, eine fiktive Landesgesellschaft, die dann auf Basis des im Land erwirtschafteten Geschäfts Gewinnsteuern abführen müsste. Das ist aber, wie gesagt, ein technisch nicht ganz einfaches Feld. Und von einer Realisierung noch sehr weit entfernt.

Einfacher ist das Modell, das Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien gemeinsam vorgeschlagen haben und für das, zumindest als Übergangslösung, sechs weitere EU-Länder, darunter Österreich, votieren: Das sieht eine „Equalization Tax“ auf Basis der im Land getätigten Umsätze vor. Gedacht ist einen fünfprozentigen Aufschlag auf die Mehrwertsteuer auf das Geschäft dieser Konzerne.

So etwas ließe sich relativ leicht einführen, hat aber einen gewaltigen Haken: Es ist, wie immer man das dreht, keine Gewinn-, sondern eine Umsatzsteuer. Diese wäre zu 100 Prozent vom Konsumenten zu tragen und würde Waren und Dienstleistungen von Amazon und Co. verteuern, deren kaum besteuerte Gewinne aber überhaupt nicht tangieren. Und das kann wirklich nur eine Krücke zur digitalen Betriebsstätte sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2017)

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