SPÖ und Grüne wollen Gruppenklagen noch vor Wahl durchbringen

PLENARSAAL IN DER HOFBURG
PLENARSAAL IN DER HOFBURGAPA/HERBERT NEUBAUER
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Die Einführung von Gruppenklagen von Konsumenten soll notfalls ohne ÖVP-Stimmen beschlossen werden.

Die SPÖ will in den letzten Wochen des Wahlkampfs die ÖVP in Zugzwang bringen und einzelne Gesetzesvorhaben notfalls auch ohne die Stimmen des Koalitionspartners im Nationalrat durchsetzen. Am Mittwoch will Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) ein Gesetz einbringen, das künftig Gruppenklagen von Konsumenten ermöglichen soll, was "bislang an der Blockade einzelner Gruppen in der ÖVP gescheitert ist".

"Der Gesetzesentwurf ist fertig ausgearbeitet und wir werden jetzt bis morgen zum Plenartag noch einmal die Gespräche auch suchen", sagte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder am Dienstag . Man werde aber nicht mehr den alten Weg gehen, "dass wir es der ÖVP schicken und die lässt es liegen und dann passiert nichts." Man werde das Gesetz jetzt noch mit allen Parteien besprechen und überlegen, es in den nächsten Tagen noch selbst im Parlament einzubringen.

"Kein Wahlzuckerl, weil es kostet gar nichts"

Man werde jetzt die Diskussion im Ausschuss führen und dann mit den Experten der anderen Parteien, sagte Schieder. "Und wenn sich Mehrheiten abzeichnen, ja, dann gibt's Mehrheiten, und dann wird mann dann die Entscheidung treffen, ob diese Mehrheit mit oder ohne ÖVP gefunden werden kann." Man habe das schon über Jahre versucht, "der Justizminister ist leider die Arbeit schuldig geblieben in diesem Bereich". Es handle sich bei dem neuen Gesetz jedenfalls um "kein Wahlzuckerl, weil es kostet gar nichts".

Mit dem Gruppenverfahrensgesetz sollen u.a. das Konsumentenschutzgesetz, das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden, um in gleichartigen Rechtsstreitigkeiten Sammelklagen möglich zu machen. Das Gesetz soll Konsumenten zu ihrem Recht verhelfen, Unternehmen vor unlauteren Methoden ihrer Mitbewerber schützen und die Justiz entlasten, erklärte Stöger. Derzeit könnten geschädigte Konsumenten in Österreich nur selbst klagen, "mit vollem Prozess und Kostenrisiko. "Anwalts- und Gerichtskosten, komplexe Sachverhalte, teure Gutachten und ein ungewisser Ausgang dieser Klagen halten Konsumentinnen davon ab, hier auch eine Klage einzubringen."

Was neu kommen soll: "Musterverfahren - das bedeutet, statt paralleler Prozesse mit der Gefahr widersprechender Entscheidungen sollen Verfahren in einem Testprozess ausgestritten werden. Gruppenverfahren - das bedeutet, dass man gleiche Sachverhalte gemeinsam klagen kann und, dass man eine Gewinnabschöpfung bei Bagatell- und Streuschäden hat, die dann dazu führt, dass es keinen Anreiz für gesetzwidriges Verhalten mehr gibt." Ein Gruppenverfahren soll künftig möglich sein, wenn mindestens zehn Personen Ansprüche geltend machen.

Die SPÖ will vor der Nationalratswahl am 15. Oktober auch noch bei anderen Themen "Nägel mit Köpfen machen vor Ende der Legislaturperiode", so Schieder, etwa bei der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, dem Verbot von Bankomatgebühren und dem Mietrecht.

Auch Grüne wollen noch Beschlüsse vor Wahl

Auch die Grünen glauben, noch vor der Wahl mit freien Mehrheiten diverse Gesetzesbeschlüsse durchzubekommen. Die größte Chance sieht Klubobmann Albert Steinhauser bei der Einführung der Gruppenklage. Sozialsprecherin Judith Schwentner wiederum meint, dass auch im Pensionsbereich noch einiges umsetzbar wäre, da es entsprechende Sympathiekundgebungen dazu von SPÖ und FPÖ gegeben habe. Dabei geht es unter anderem darum, dass auch Ausgleichszulagenbezieher von der Negativsteuer profitieren oder dass von der sogenannten Mindestpension nichts abgezogen wird, wenn sich vor allem ältere Frauen für ihren Lebenserhalt etwas dazuverdienen. Weitere Einschränkungen peilt Schwentner bei den Politikerpensionen an. Dazu drängte sie einmal mehr darauf, dass das Partner-Einkommen bei der Notstandshilfe nicht mehr angerechnet wird.

Hoffnungsfroh zeigte sich Steinhauser bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit seiner Klubkollegin, dass es auch einen Schulterschluss in Sachen Glyphosat geben könnte. Konkret will man die Regierung im EU-Unterausschuss binden, einer verlängerten Zulassung auf europäischen Ebene nicht zuzustimmen, halte die WHO das Pestizid doch für krebserregend. Behandelt wird das Thema am Mittwoch im Plenum in der "Aktuellen Europastunde", was für die Grünen den Vorteil hat, ihre Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek ans Rednerpult schicken zu können, sind doch bei Europastunden auch EU-Abgeordnete zugelassen.

Eher skeptisch ist der grüne Klubobmann, was eine Reform des Wohnrechts angeht. Die Schuld gibt Steinhauser dafür zum Teil der SPÖ, wiewohl diese ähnliche Positionen wie seine Partei vertritt. Denn die Sozialdemokraten hätten es verabsäumt, das Thema rechtzeitig mit Fristsetzungsanträgen voranzutreiben. Nun habe die FPÖ eine Ausrede, mit dem Argument, dass solch ein umfassendes Thema ausreichende Vorbereitung brauche, die Flucht anzutreten.

Nationalratswahl 2017

Die Nationalratswahl findet am 15. Oktober 2017 statt. Bundesweit treten zehn Listen an: SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne, Neos, Liste Pilz, Weiße, FLÖ, KPÖ PLUS, GILT.

Wahlprogramme: Was fordern die im Nationalrat vertretenen Parteien? Die Wahlprogramme von SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne und Neos im Überblick.

TV-Duelle und Chats: ORF und Privatsender veranstalten TV-Duelle. Die „Presse“ lädt alle Spitzenkandidaten der bundesweit antretenden Parteien zu Live-Chats: TV-Duelle und Chat-Termine im Überblick.

„Presse“-Services zur Wahl:Rainer Nowaks Wahlbriefing täglich um 7 Uhr in Ihrer Mailbox; WhatsApp-Service; SMS-Service.

(APA)

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