Porträt

Wolfgang Schäuble – ein Mann für alle Jahreszeiten

Geburtstagsparade für Schäuble in badischer Heimat mit Merkel und Juncker.
Geburtstagsparade für Schäuble in badischer Heimat mit Merkel und Juncker.(c) REUTERS
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Der deutsche Finanzminister feierte seinen 75. Geburtstag, denkt aber längst nicht ans Aufhören. Der überzeugte Europäer gilt als Fixstarter in einer neuen Regierung – am liebsten weiter als Finanzminister und graue Eminenz.

Alle waren aufmarschiert zur Parade anlässlich des 75. Geburtstags des Jubilars im badischen Offenburg im Südwesten Deutschlands: Angela Merkel, Jean-Claude Juncker, der grüne Ministerpräsident Wilfried Kretschmann und sein schwarzer Vize, Schäuble-Schwiegersohn Thomas Strobl, die Blasmusik in historischer Tracht und die Goldhaubengruppe. Und alle wünschten Wolfgang Schäuble einen Fortbestand im Amt des Finanzministers, als graue Eminenz und als zuweilen gestrenger Zuchtmeister der Eurozone, der zuletzt wieder einen Rekordüberschuss für sein Land erwirtschaftet hat.

Selbst in der Opposition sprechen ihm manche die Meriten nicht ab. Als Schäuble neulich in einer Konfrontation in einer Talk-Show auf den grünen Parteichef Cem Özdemir traf, da machte dies den Eindruck eines schwarz-grünen Flirts. In Baden-Württemberg, der Heimat der beiden Protagonisten, ist eine schwarz-grüne Koalition inzwischen Realität. In Berlin scheiterte der große Wurf vor vier Jahren am Widerstand der CSU und des Grün-Gurus Jürgen Trittin. Schäuble wie Özdemir gelten auch jetzt als Verfechter einer Jamaika-Koalition, einer Allianz zwischen Union, den Grünen und der FDP.

„Unbequem, aber loyal“: So charakterisiert sich Schäuble selbst, ein prinzipienfester Protestant und versierter Politfuchs, der seit 45 Jahren im Bundestag sitzt und seit einem Attentat bei einer Wahlkampfveranstaltung seit 27 Jahren querschnittgelähmt ist. Politik ist sein Lebenselexier, und ans Aufhören denkt er längst nicht. Bei ihrer Laudatio hat Merkel die Differenzen mit ihrem Finanzminister dann auch gar nicht verhehlt. „Nicht immer einer Meinung, aber immer auf einem gemeinsamen Weg“: So brachte die Kanzlerin ihr nicht undelikates Verhältnis zu Schäuble auf den Punkt. Er war ihr Vorgänger als Parteichef, ehe er 1999 über die Parteispendenaffäre stürzte. Bis heute ist er indessen unverzichtbar für Merkel: Als Fraktionschef, als Innenminister und seit 2009 als Finanzminister ist Schäuble ein Mann für alle Jahreszeiten. Und als einer der wenigen äußert er mitunter offen seine Kritik an Merkel.

Anspruch der FDP

Dabei hat sie 2004 seinen Sprung ins Bundespräsidentenamt vereitelt. Im Fall einer Koalition reklamiert nun aber die FDP das Finanzministerium als wichtigstes Ressort für sich. Der 75-Jährige würde sich allerdings auch als Bundestagspräsident eignen – oder als Außenminister. Dass er viel Muße haben wird, im Geburtstagspräsent – einer Gesamtausgabe des Werks des Theologen Dietrich Bonhoeffer – zu schmökern, glaubt indes niemand, schon gar nicht seine Frau Ingrid.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2017)

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