Frankreichs Präsident Macron fordert in seiner Rede zur Lage der EU ein gemeinsames Verteidigungsbudget und Asylbehörde und eine EU-Staatsanwaltschaft. Auch die Finanztransaktionssteuer findet sich auf seiner Wunschliste.
"Zu langsam, zu schwach, zu ineffizient." Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fällt ein deutliches Urteil über die EU. In seiner Rede zur Lage der EU wünscht er sich in der Verteidigungspolitik der EU-Länder eine engere Zusammenarbeit. Bis zum Anfang des kommenden Jahrzehnts sollte es in der EU eine "gemeinsame Interventionseinheit", ein gemeinsames Verteidigungsbudget und eine gemeinsame Doktrin für Einsätze geben, schlug er am Dienstag in seiner Rede an der Universität Sorbonne in Paris vor.
Konkret schlug Macron vor, eine "europäische Staatsanwaltschaft" zu schaffen, um den Kampf gegen den Terrorismus zu verstärken. Darüber hinaus will er eine "europäische Asylbehörde" ins Leben rufen, um schneller über die Anträge von Flüchtlingen entscheiden zu können. Ein europäisches Programm könnte die Integration und die Ausbildung von Flüchtlingen finanzieren helfen. Schrittweise solle eine europäische Grenzpolizei zum Schutz der Außengrenzen aufgebaut werden. Auch die Geheimdienste sollten enger zusammenarbeiten, eine europäische Akademie für Geheimdienste könnte entstehen. Zudem schlägt Macron einen europäischen Zivilschutz vor, um die EU besser gegen Naturkatastrophen zu wappnen.
Comeback der Finanztransaktionssteuer
Die Eurozone mit 19 Ländern solle ein eigenes Budget und einen eigenen Finanzminister bekommen, forderte Macron am Dienstag vor Studenten in der Pariser Sorbonne-Universität. Man müsse darüber nachdenken, diesen Haushalt mit einer Steuer zu finanzieren. Das sei der Schlüssel für die Stabilität der gemeinsamen Währung und als Schutz vor Wirtschaftsschocks.
Für den Umweltschutz brauche die EU eine CO2-Steuer und eine Reform des europäischen Handels mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten (CO2). Ein Preis von unter 25 bis 30 Euro pro Tonne CO2 sei nicht ausreichend. Derzeit liegt der Preis an der Börse bei etwa sieben Euro.
Macron unternimmt auch einen neuen Anlauf für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Europa. Die Steuer auf Börsengeschäfte soll auch in anderen EU-Ländern eingeführt werden. In Frankreich gibt es die Börsensteuer bereits. Er sei bereit, diese Einnahmen in die Entwicklungshilfe zu stecken, sagte Macron.
Die Börsensteuer sollte in der EU nach der Finanzkrise eingeführt werden, war aber am Widerstand mehrerer Staaten, unter anderem Großbritanniens, gescheitert. Danach bemühten sich mehrere Euro-Staaten um eine Einführung, darunter Deutschland und Frankreich. In den vergangenen Jahren gelang in den Verhandlungen zwischen zuletzt zehn Staaten aber kein Durchbruch.
Bisher umfasst der Haushalt der gesamten EU knapp 160 Milliarden Euro pro Jahr für alle Politikfelder, und es gibt keine eigenen Schulden. Der Großteil des Geldes wird für Förderungen in den Mitgliedsländern ausgegeben.
Einheitlicher deutsch-französischer Markt
Macron hält seine Rede nicht zufällig nur zwei Tage nach der deutschen Bundestagswahl. Er gibt der künftigen deutschen Koalition damit gewissermaßen seine EU-Vorstellungen mit auf den Weg. Nach der deutschen Wahl wären Merkel und er ohne anstehenden bundesweiten Wahlkampf vielleicht in der Lage einiger ihrer Ideen gemeinsam umzusetzen.
Macron hat sich indes für einen einheitlichen deutsch-französischen Markt ausgesprochen. Bis 2024 könne dieser geschaffen und die Gesetze entsprechend harmonisiert werden, sagte der Präsident. Der Schwung der deutsch-französischen Partnerschaft sei entscheidend für Europa. Länder mit der gleichen Vision sollten in den kommenden Wochen eine Gruppe zur Neugründung Europas schaffen, sagte er. Er gehe davon, dass die Reaktion der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel auf seine Vorschläge ermutigend sein werde.
(APA/AFP/Reuters)