Ryanair: Anleger verlieren Vertrauen

4200 Piloten hat die Ryanair – nicht alle sind mit ihrem Job zufrieden.
4200 Piloten hat die Ryanair – nicht alle sind mit ihrem Job zufrieden. (c) APA/AFP/PAUL FAITH (PAUL FAITH)
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Das Chaos um die 20.000 Flugstreichungen schadet nicht nur dem Image. Der Billig-Airline drohen hohe Kosten, wenn sie ihre Mitarbeiter nach Tarifvertrag anstellen muss.

Dublin/London/Brüssel. Friert die Hölle doch zu? Vor Kurzem hat der Boss der irischen Billig-Airline Ryanair, Michael O'Leary, angesichts des Chaos um massive Flugstreichungen gemeint, eher werde die Hölle zufrieren, als dass er wie die Konkurrenz Tarifverträge mit Gewerkschaften abschließe. Jetzt scheint es, dass der für spektakuläre Sager bekannte Manager den Mund weniger voll nehmen sollte.

Denn die Flugstreichungen haben bei Europas Branchenprimus ein Ausmaß erreicht, das sogar in der an Negativrekorde gewöhnten Luftfahrt seinesgleichen sucht. 20.000 Flüge muss die nach Passagieren größte Fluglinie Europas im Winterflugplan bis März 2018 ausfallen lassen – 800.000 Passagiere sind davon betroffen und haben Anrecht auf Entschädigungen. Bisher stellte Ryanair aber nur 40 Euro pro Person in Aussicht, was die Wogen nicht nur bei den Kunden hochgehen lässt.

Gestern, Freitag, riss dem irischen Regierungschef Leo Varadkar die Geduld: Er ermahnte die Airline, die Rechte der Kunden zu achten. „Wenn jemandem der Flug gestrichen wird, dann muss die Airline, in diesem Fall Ryanair, ihm eine Alternative bieten, damit er an sein Ziel gelangt, oder sie muss den Preis vollständig zurückzahlen“, sagte er beim EU-Gipfel in Tallinn. „Ich erwarte, dass die Fluggesellschaft das tut. Wenn sie es nicht tut, erwarte ich, dass die (irische) Flugaufsichtskommission sicherstellt, dass sie es tut.“

Die britische Zivilluftfahrtbehörde CAA reagierte schon am Donnerstag „wütend“, wie ihr Chef, Andrew Haines, sagte: Sie warf Ryanair „permanente Irreführung“ von Passagieren vor. Man habe die Reisenden unzureichend über ihre Rechte informiert, auch, dass sie auf andere Airlines umbuchen können. Vor zehn Tagen mahnte schon die EU-Kommission, nachdem extrem kurzfristig 2000 Flüge gecancelt wurden. Auch Ryanair müsse die europäischen Verbraucherrechte achten, hieß es.

O'Leary beharrt gebetsmühlenartig auf einem Grund für die Flugausfälle: Fehler bei der Urlaubsplanung für die Piloten. Infolge einer Umstellung der Urlaubspläne vom Fiskal- auf das Kalenderjahr müssen die Mitarbeiter Ansprüche abbauen. Nach der Hochsaison im Sommer hätten im Herbst viele Piloten und Flugbegleiter Urlaub genommen. Wegen Unterauslastung legt Ryanair im Winter traditionell Maschinen still.

Aktie verliert 20 Prozent

Im selben Atemzug mit einer knappen Entschuldigung argumentierte O'Leary, bei 800.000 Flügen pro Jahr sei die Ausfallsquote minimal. Und er hält – vorerst – an seiner Gewinnprognose von 1,4 bis 1,45 Mrd. Euro fest. Die Zahl der Passagiere soll von 117 auf 129 Millionen steigen. In diesem Licht erscheinen die 50 Mio. Euro, auf die die Entschädigungskosten geschätzt werden, gering.

Damit gab sich die Öffentlichkeit, allen voran die Investoren, die mit Ryanair bisher viel Geld gemacht haben, aber nur kurzfristig zufrieden. Das Misstrauen spiegelt der Aktienkurs wider: Das Papier hat von Jahresbeginn bis Mitte August von 14,8 auf 19,4 Euro zugelegt und einen neuen Höchststand erreicht. Am 15. August meldete Air Berlin Insolvenz an, was offenbar bei vielen Anlegern die Hoffnung auf einen fetten Braten nährte. Dann drehte jedoch der Kurs. Jetzt notiert die Aktie bei etwa 16 Euro, um gut 20 Prozent niedriger.

Der Imageschaden allein ist es nicht. An der Börse mehren sich Zweifel, ob es nur die Urlaubsplanung ist, schreibt etwa Analyst Neil Wilson der Londoner Gesellschaft Etx Capital. Er warnt vor steigenden Crew-Kosten, stärkerem gewerkschaftlichen Einfluss und höherem Aufwand bei direkt angestellten Cockpit-Kräften. Hartnäckig halten sich Gerüchte, dass Piloten das Chaos nützen und in Scharen die Airline verlassen (wollen). Vor allem der schnell wachsende Konkurrent Norwegian soll starken Zuspruch haben. Ein Schelm, der denkt, dass die Kapitänen in Aussicht gestellten Gehaltsprämien von 10.000 Euro und mehr damit zu tun hätten.

70 Prozent der Ryanair-Piloten sind selbstständig und nicht angestellt. Sie erhalten „Stundenlohn“ und müssen Kosten wie Übernachtungen selbst zahlen. Der Aufwand für das Flugpersonal wird von Analysten auf die Hälfte jenes der Konkurrenz geschätzt. Sollte O'Leary diese Praxis beenden müssen, wäre es mit der billigen Billig-Airline vorbei. (eid/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2017)

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