Nur der Pleitegeier darf noch fliegen

Der König ist vom Thron gestoßen: Nach der Pleite müssen alle Monarch-Maschinen am Boden bleiben.
Der König ist vom Thron gestoßen: Nach der Pleite müssen alle Monarch-Maschinen am Boden bleiben.(c) APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS
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Die britische Charterairline Monarch ist plötzlich insolvent, 110.000 Urlauber sitzen fest. Wie kann das passieren? Es geht um Preisverfall, Terrorangst und Brexit-Wirren.

Wien/London. Das ist einmal wirklich eine Nacht-und Nebel-Aktion: Im Morgengrauen am Montag gab die traditionsreiche britische Fluglinie Monarch mit Sitz in Luton bei London überraschend bekannt, sie sei endgültig pleite. Warum zu so unchristlicher Stunde? Weil nur zu diesem Zeitpunkt alle Flugzeuge der Charterairline auf dem Boden standen. Wo sie nun auch bleiben müssen: Wenn eine Fluggesellschaft bankrott ist, darf sich keiner ihrer Flieger mehr in den Himmel erheben. Es gibt ein Startverbot, im Fachjargon Grounding genannt – eben das, was die wahlkämpfende deutsche Regierung bei Air Berlin mit allen Mitteln (der Steuerzahler) zu vermeiden suchte.

Für 110.000 britische Urlauber ist das Grounding ein ziemliches Problem. Sie sitzen an ihrer Feriendestination fest. Abhilfe schafft die Regierung mit der „größten Rückholaktion in Friedenszeiten“: Die Zivilflugbehörde chartert auf die Schnelle 30 Maschinen von diversen Fluglinien, um die Reisenden an ihren Arbeitsplatz zu bringen. Immerhin wird ihnen versichert: Keiner muss vorzeitig heimreisen. Umgekehrt kann es durchaus sein, dass manche ihren Aufenthalt am Strand für ein paar Tage verlängern müssen – was nicht jeden stören dürfte.

Betroffen sind aber auch 750.000 Kunden, deren künftige Buchungen storniert worden sind. Dem Management tut das leid, es entschuldigt sich, aber der große politische Aufschrei bleibt aus. Nur eine Gewerkschaft murrt über Minister, die Bitten um einen Überbrückungskredit wie bei Air Berlin abgelehnt hätten. Auf der britischen Insel ist man es eben gewohnt, dass der Staat sich mit Eingriffen ins Marktgeschehen sehr zurückhält. Dass alles so plötzlich kam, erklären die Unternehmensführung und der Insolvenzverwalter KPMG mit den Umständen: Bis zuletzt habe man fieberhaft nach einem Käufer für die marode Firma gesucht. Erst am Wochenende sei nach Krisengesprächen mit den Aufsehern so richtig klar geworden, dass alle Hoffnung vergeblich war.

Warum aber musste die fünftgrößte und zweitälteste britische Fluglinie ein so unrühmliches Ende nehmen? Monarch wurde 1968 von der Schweizer Unternehmerfamilie Mantegazza gegründet, war anfangs als Charteranbieter profitabel und genoss für ihr Kundenservice einen guten Ruf. Aber der Aufstieg von Billigfliegern wie Easyjet und Ryanair machte Pauschalpakete weniger attraktiv.

Dazu kam die Terrorangst: Zwei der wichtigsten Märkte, Ägypten und Tunesien, fielen komplett aus. Seit einer Reisewarnung des Außenministeriums in London gibt es dorthin von Großbritannien aus keine Charterflüge mehr. Die politischen Wirren in der Türkei sorgten für den nächsten Geschäftseinbruch. Viele Briten wichen zuletzt bei der Wahl ihres Urlaubsziels auf Spanien und Portugal aus. Das sind zwar traditionelle Kernmärkte von Monarch. Aber auf ihnen sind längst auch die Anbieter von Linienflügen präsent, vor allem im Billigsegment.

Keinen Käufer gefunden

Der Ölpreisverfall verlockte den gesamten Markt zu einem übermütigen Ausbau des Angebots. Die Überkapazitäten führten vor allem auf der europäischen Kurzstrecke zu einem massiven Preisdruck, unter dem sich nur noch große und sehr robust aufgestellte Unternehmen behaupten können. Schwächere, wie zuletzt Alitalia und Air Berlin, kommen unter die Räder. Die Eigentümerfamilie von Monarch verkaufte ihr krankes Kind 2014 an Greybull Capital. Der Finanzinvestor versuchte einen Umbau zum Billiglinienflieger, schaffte es aber nicht mehr, das Ruder herumzureißen. Was auch am Brexit lag: Die Unsicherheit über die Zukunft der britischen Wirtschaft schwächt das Pfund.

Weil das Kerosin und die Raten für geleaste Flugzeuge in Dollar abgerechnet werden, erhöhten sich die Kosten für Monarch um 50 Mio. Pfund pro Jahr. Schon im vorigen Dezember schrammte die Firma um ein Haar an der Pleite vorbei. Erst eine Kapitalspritze von 165 Mio. Pfund sorgte nur wenige Stunden vor Ablauf der behördlichen Frist für eine Verlängerung der Lizenz.
Seitdem lautete die Devise: auf Langstreckenflüge umsatteln und das Kurzstreckengeschäft verkaufen. Nur wollte den Defizitbringer niemand haben, zumindest nicht als Ganzes. Nun, nach der Pleite, ist der Appetit auf die wertvollen Start- und Landerechte freilich groß. Vor allem Easyjet und die British-Airways-Mutter IAG dürften daran Interesse haben. Die Kurse ihrer Aktien gingen am Montag entsprechend in die Höhe. Aber auch Lufthansa und Air France zogen an. Die Anleger sehen in der Monarch-Pleite ein Anzeichen für eine weitere Konsolidierung in der zivilen Luftfahrt, bei der nur wenige Airlines übrig bleiben – und dann von steigenden Ticketpreisen profitieren. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2017)

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