"21er Haus": Komm, mach mit!

Immer wieder klimpern ihre Augen: David Shrigleys Akt-Malkurs-Version „Life Model II“, 2016.
Immer wieder klimpern ihre Augen: David Shrigleys Akt-Malkurs-Version „Life Model II“, 2016.(c) Bildrecht, Wien, 2017
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Kunst, die erst durch Beteiligung des Publikums funktioniert, von Beuys bis Wurm, wird zur Zeit in einer großen Schau im "21er Haus" ausgestellt. Das ist zwar an sich sehr unterhaltsam. Mehr will sie anscheinend aber nicht sein.

Man ist ja einiges an Komplizenschaft gewohnt als Kunstkonsument: Wir bringen verbotene Bücher, damit Marta Minujín mit ihnen ihr „Parthenon der Bücher“ bei der „documenta 14“ bauen kann. Wir springen in Wasserlöcher und tauchen in unterirdische Luftkammern, damit die Jungs von Gelatin ihren Spaß daran haben. Wir basteln grüne Lampen mit Ólafur Elíasson und Flüchtlingen, damit wir uns alle besser fühlen in unserem Luxusleben. Und runter geht es über die langen Rutschen, die Carsten Höller so gerne in die Museen dieser Welt baut. Fun, fun, fun.

Dabei hatte es anfangs weder mit Luxus noch mit Fun etwas zu tun, als Künstler forderten, Kunst und Leben miteinander zu verbinden. Im Gegenteil, das Ansinnen wurde in dunkelsten kommunistischen Zeiten in Russland erdacht, als die Konstruktivisten der Diktatur ihr ideologisches Design verpassten. Im Westen ging das nach dem zweiten Weltkrieg mit Joseph Beuys weiter, der jeden Menschen zum Künstler ausrief, jeden denkenden Menschen allerdings nur: „Wer nicht denken will, fliegt raus!“, ließ Beuys 1977 auf Postkarten drucken. Denn ohne Denken, kein kreativer Akt, keine soziale Verantwortung, keine politische Mitbestimmung, ergo auch kein Künstler. Ha.

Nur drei Solo-Künstlerinnen vertreten

Als „Museumsversion“ auf eine der berühmten Beuysschen Oberlehrer-Schiefertafeln geschrieben, hängt dieser Spruch jetzt im „21er Haus“. Wäre ein großartiger Titel gewesen für die hier laufende Ausstellung zu Partizipation in der Kunst, Mitmachkunst sozusagen, ein Publikumsmagnet anderswo – doch dagegen scheint man hier etwas zu haben. Also entschied man sich für den Titel „Duett mit Künstler?in“, unter dem sich erstens niemand etwas vorstellen kann. Zweitens wenn schon, das Falsche (Songcontest?). Und man drittens aufgrund ungewohnt politischer Korrektheit im Titel unbeabsichtigt auch noch auf ein Problem dieser von Axel Köhne in Kooperation mit dem deutschen Museum Morsbroich hinweist, das sonst vielleicht verborgen geblieben wäre: Von den insgesamt 25 Künstlern (plus zwei gemischtgeschlechtliche Kollektive) sind nämlich nur drei weiblichen Geschlechts. Als wenn Künstlerinnen es mit der Partizipation nicht so hätten. Valie Export kommt also nicht vor mit ihrem Tapp- und Tastkino zum Beispiel. Dafür unter den drei heimischen Vertretern gerade auch die beiden, die hier im 21er Haus jüngst große Ausstellungen hatten (Franz West, Erwin Wurm). Inhaltlich ja total gerechtfertigt mit den One Minute Sculptures Wurms und den Möbeln Wests. Aber das hätten wir im Hinterkopf gerade noch abrufbar gehabt.

Das alles geht einem beim Eintritt in die 21er-Haus-Halle so durch den Kopf, als einen ein gepflegter junger Herr in Smoking unvermittelt nach dem Namen fragt. Bitte? Den Namen. Den ganzen. Gut. Der wird dann lauthals den anderen Anwesenden verkündet, „The Role Announcer“ heißt die nicht unpeinliche Performance, die man ja gleich einmal Tino Sehgal unterstellt hätte. Aber auf Nachfrage rückt der Herr im Gegenzug wenigstens auch mit dem Namen seines Auftraggebers heraus, Pierre Huyghe, einer der zur Zeit geheimnisvollsten Künstler. Wohl nicht sein Hauptwerk. Man hätte zwecks der politischen Relevanz besser ein Reenactment von Dieter Meiers hier nur auf (Foto-)Papier ausgestellten Aktion „This Man will not Shoot“ beauftragen können: 1971 stellte sich der Schweizer, der eher als Musiker („Yello“) bekannt ist, an den Eingang einer Ausstellung in New York, mit Revolver in der Hand (und erklärendem Titel-Schild darunter). Sorgte für große Verwirrung und hielt damals einige vom Eintritt ab. In den USA wäre das heute wieder so. Hierzulande vielleicht auch. Wir werden es nicht erfahren.

Wünsche der Welt: Weltfrieden, Katzen

Die Ausstellung ist eher auf Unterhaltung ausgerichtet, als auf politische Relevanz, die zwar wie in der meisten Kunst mitschwingt, aber nicht im Vordergrund steht (keine einzige Arbeit ist etwa feministisch, was auch schon wieder eine Kunst ist bei diesem Thema). Gegen Unterhaltung ist zwar nichts einzuwenden – Tischtennis-Spielen mit Rirkrit Tiravanija (featuring eine historische Arbeit von Julius Koller, die 1970 in Bratislava sehr wohl politisch war), Akt-Zeichnen vor einer überlebensgroßen Roboter-Puppe von David Shrigley, Wunschzettel-Schreiben für einen von Yoko Onos Wunsch-Bäumen (Weltfrieden! Katze!) oder Biertrinken in der Spiegelbar von Claus Föttinger. Das große Thema der Partizipation in der Kunst hätte man in einem staatlichen Museum aber gerne ein wenig tiefgehender, vollständiger, kritischer beleuchtet gesehen. Dafür durchaus mit einem ein wenig reißerischeren Titel versehen.

Duett mit Künstler?in, bis 4. Februar. Arsenalstraße 1,

Wien 3, Mi.–So. 11–18 Uhr, Mi. und Fr. 11–21 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2017)

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