Der republikanische Senator Bob Corker bietet Donald Trump die Stirn. Der US-Präsident schießt aus allen Rohren zurück, obwohl er im Kongress dringend Unterstützung für Reformvorhaben braucht.
Washington. Donald Trump streitsüchtig zu nennen wäre eine Untertreibung. Erst vor Kurzem legte sich der US-Präsident mit protestierenden Stars des American Football an, dann beschimpfte er eine Bürgermeisterin auf der vom Wirbelsturm Maria verwüsteten Insel Puerto Rico. Jetzt liefert sich der Präsident ein öffentliches Fernduell mit dem wichtigen Senator Bob Corker von der eigenen republikanischen Partei und lässt damit die Chancen, seine Gesetzgebungsvorhaben im Kongress durchzusetzen, noch weiter sinken. Corker wirft Trump vor, er veranstalte eine „Reality-Show“ im Weißen Haus.
Vorige Woche war bekannt geworden, dass Außenminister Rex Tillerson den Präsidenten hinter verschlossenen Türen einen „beschissenen Schwachkopf“ genannt haben soll. Zu Gerüchten, Trump wolle Tillerson entlassen, sagte Corker, republikanischer Senator aus Tennessee, er schätze den Minister. Tillerson, so Corker, sei einer der Männer, die Amerika vor dem „Chaos“ bewahrten – weil Tillerson mäßigend auf Trump einwirkt, lautete die unausgesprochene Erläuterung des Senators. Trump verstand die Botschaft auch so. Auf Twitter schlug er am Sonntag gegen Corker los, der bei der Senatswahl 2018 nicht mehr antreten will. Corker habe um Unterstützung für eine erneute Kandidatur gebettelt, was er aber abgelehnt habe, schrieb Trump. Deshalb habe der Senator dann seinen Verzicht erklärt: Corker habe nicht den Schneid, auch ohne schützende Hand des Präsidenten zu kandidieren.
Aus mindestens drei Gründen war das unklug von Trump. Erstens stimmt seine Version womöglich nicht. Corker sagte jedenfalls der „New York Times“, Trump habe ihn ausdrücklich gebeten, noch einmal anzutreten. Zweitens traf der wütende Twitter-Sturm des Präsidenten einen Mann, dessen Stimme im Senat sehr wichtig ist, weil Trumps Republikaner dort nur eine Mehrheit von zwei Mandaten haben. Da es noch andere Trump-Kritiker unter den Republikanern im Senat gibt, hat der Präsident umstrittene Vorhaben wie die geplante Steuerreform zusätzlich gefährdet. Auch bei der Entscheidung über neue US-Sanktionen gegen den Iran spielt Corker als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Senat eine wichtige Rolle.
Weißes Haus als „Pflegeheim“
Drittens wehrte sich Corker auf eine Weise, die Trumps Twitter-Vorliebe aufs Korn nahm und die selbst für den rauen Ton unter Trumps Präsidentschaft eine neue Dimension bildete. „Es ist eine Schande, dass das Weiße Haus zu einem Pflegeheim für Erwachsene geworden ist“, schrieb Corker nach Trumps Angriffen auf Twitter. „Irgendjemand ist da offenbar heute Morgen nicht zu seiner Schicht erschienen.“ Letztere Bemerkung galt John Kelly, dem Stabschef im Weißen Haus, der sich vorgenommen hatte, Trump vom spontanen Twittern abzuhalten, weil damit häufig viel Schaden angerichtet wird. Nicht zum ersten Mal ist Kelly bei der Aufgabe gescheitert.
Corker, der keine Wahl mehr gewinnen muss und deshalb kein Blatt vor den Mund nimmt, legte im Gespräch mit der „New York Times“ noch einmal nach. Mit Blick auf Trumps Drohungen gegen Nordkorea sagte er, es bestehe die Gefahr, dass der Präsident den „Dritten Weltkrieg“ auslösen könne. Trumps Mitarbeiter im Weißen Haus stünden jeden Tag vor der Aufgabe, den Präsidenten „zu zügeln“. Damit sprach Corker vielen Trump-Kritikern aus der eigenen Partei und der Opposition aus dem Herzen. Sie halten den 71-jährigen Immobilienunternehmer für unfähig, das hohe Staatsamt auszuüben. Schon im August hat Corker erklärt, Trump habe noch nicht das nötige Maß an Kompetenz für das höchste Staatsamt gezeigt.
Wenn das Weiße Haus nun als Heilanstalt bezeichnet wird, zeigt dies, dass auch der Respekt vor dem Amt an sich allmählich leidet. Zuerst der „Schwachkopf“, jetzt das „Pflegeheim“: Noch nie haben hohe Mitarbeiter und prominente Parteifreunde eines Präsidenten öffentlich so über das Staatsoberhaupt gesprochen.
Bei den Republikanern brodelt es wegen Trumps Streitsucht und des Chaos in der Regierung schon seit Langem. Bisher wagten es nur wenige, ihre Meinung auch öffentlich zu machen. Corkers Kritik könnte erst der Anfang gewesen sein.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2017)