Wer braucht dieses Tabakgesetz?

Der Nichtraucherschutz funktioniert in Österreich überhaupt nicht. Eine Gesetzesänderung ist nötig.

Versetzen Sie sich bitte zwanzig Jahre zurück: Wir befinden uns im Großraumbüro, architektonisch gerade der letzte Schrei, heute schon wieder überholt, ganz besonders diese schaurigen beigen Cordsamtsofas. Aber was fällt Ihnen besonders auf? Mindestens die Hälfte der Angestellten raucht regelmäßig am Schreibtisch. Erstaunlicherweise stößt sich auch kein Nichtraucher daran. Heute wäre das undenkbar – genauso, wie es in weiteren zwanzig Jahren undenkbar sein wird, dass man beim Essen im Restaurant vom Nebentisch angepofelt wird.

Da wir uns aber leider in Österreich ein Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende befinden, ist das der ganz normale Alltag. Denn das seit 2009 geltende neue Tabakgesetz ist, mit Verlaub, einfach Schrott. Daher ist es auch nicht besonders erstaunlich, dass sich keiner ernsthaft daran hält und natürlich auch niemand den zahlreichen Anzeigen nachgeht.

„Grundsätzlich“ herrscht seit Jahresbeginn eigentlich Rauchverbot in der Gastronomie, aber die Ausnahmen sind – typisch österreichisch – recht zahlreich: Da darf es ein „Extrazimmer“ für Raucher geben. Ist dies räumlich unmöglich, obliegt es dem Wirt, ob er das Rauchen gestattet. Das gilt jedoch nur, wenn der Gastraum weniger als 50 Quadratmeter misst. Ist er größer, darf wiederum der Wirt darauf pochen, dass eine bauliche Trennung unmöglich ist. Kleine Kostprobe des Gesetzestextes gefällig? „Als Ausnahme von diesem Rauchverbot können in öffentlichen Einrichtungen, soweit es sich nicht um bestimmte für Kinder und Jugendliche gewidmete Einrichtungen handelt, und sofern eine ausreichende Anzahl von Räumlichkeiten zur Verfügung steht, Räume bezeichnet werden, in denen das Rauchen gestattet ist, wenn gewährleistet ist, dass der Tabakrauch nicht in den übrigen, mit Rauchverbot belegten Bereich dringt und das Rauchverbot dadurch nicht umgangen wird.“


Wundern Sie sich jetzt wirklich noch, dass das Rauchen in österreichischen Lokalen die Regel statt die Ausnahme ist? Nichtraucherzonen, so es sie gibt, sind gern im lichtlosen Teil des Lokals in der Nähe der Sanitäranlagen. „Überlasst das doch dem Markt“, sagen die Liberalen, die jede Verbotszone als Freiheitsberaubung betrachten, die irgendwann zur allgemein akzeptierten Totalentmündigung der Bürger führt. Dem lässt sich entgegnen, dass die Freiheit des Einzelnen dort enden sollte, wo sie die Freiheit anderer einschränkt – was beim Rauchen klar der Fall ist. Der Markt hat in Österreich nämlich für die lautstarke Minderheit der Raucher entschieden, was die Mehrheit der Nichtraucher gefälligst (und im wahrsten Sinne des Wortes) zu schlucken hat.

Der Obmann des Fachverbandes Gastronomie in der Wirtschaftskammer Österreich zeigte sich gestern mit dem Gesetz übrigens hochzufrieden. Kein Wunder: Es hat sich ja für die Wirte so gut wie nichts geändert. Der Gesundheitsminister (er heißt Alois Stöger, wenn Ihnen der Name jetzt partout nicht einfällt) will die Gesetzesfolgen indessen evaluieren lassen. Und er ist, wie er gesteht, sogar ein bisschen „ärgerlich“, weil er den Nichtraucherschutz in Österreichs Gastronomie im internationalen Vergleich „leider im unteren Drittel“ sieht. In anderen Ländern herrsche mehr Klarheit, da es dort in Gaststätten generell nicht gestattet ist zu rauchen, sagt Stöger.


Wie wär's, Herr Gesundheitsminister, wenn wir das hierzulande genauso praktizierten? Es böte sich sogar eine „österreichische Lösung“ an, die weniger hart als zum Beispiel jene in Italien wäre: In Gasthäusern könnte rigoroses Rauchverbot gelten, im Kaffeehaus (falls dort nicht warmes Essen serviert wird) darf in einem Übergangszeitraum noch ein paar Jährchen gepafft werden, in Bars herrscht Rauchfreiheit. Schließlich ist es in Österreich kälter als beim südlichen Nachbarn, wo man unter netten Heizschirmen auch im Winter draußen steht. Angeblich ist das nicht nur für einen Flirt gut – sondern auch der Gesundheit zuträglich, wie neue Studien eindrucksvoll zeigen. Die Zahl der Krankheiten durch Nikotinmissbrauch hat sich in Staaten mit strengen Tabakgesetzen nämlich deutlich reduziert.

Letztlich macht Gelegenheit Diebe, und es wird weniger geraucht, wenn der Aufwand dafür zu groß ist. Folgerichtig ist Österreich Weltmeister bei der Zahl jugendlicher Raucher, wie eine OECD-Studie kürzlich gezeigt hat. Rauchen macht zwar, wie jedermann weiß, alt, faltig und krank. Aber das ist einem mit 15 relativ wurscht. Und lässig an der Zigarette ziehen kann man im Raucherparadies Österreich ja überall – noch.


martina.salomon@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2009)

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Rauchverbot in Lokalen: Scharfe Kritik an Wirten

In vielen Gaststätten werde der Nichtraucherschutz nicht eingehalten, kritisiert Gesundheitsminister Alois Stöger. Er hat eine Evaluierung des gesetzlichen Rauchverbots in Auftrag gegeben.

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