Absturz: Aus für die Grünen im Parlament?

Die Grüne Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek.
Die Grüne Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek.(c) APA (Helmut Fohringer)
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Ein amtliches Ergebnis gibt es erst am Donnerstag, die Wahlkarten sind noch nicht ausgezählt. Die Grünen dürften den Sprung ins Parlament knapp verpassen.

Wien. Zum Feiern war bei der Grünen Wahlparty im Metropol im 17. Wiener Gemeindebezirk nach den ersten Hochrechnungen niemandem. Nachdem es in der ersten Hochrechnung um 17 Uhr so aussah, als würde ihnen die Katastrophe aus dem Nationalrat zu fliegen erspart bleiben – sah die Situation eine halbe Stunde später ganz anders aus: In den Hochrechnungen rasselten sie auf 3,8 Prozent herunter. Um in den Nationalrat einziehen zu können, sind vier Prozent notwendig. Die Hoffnung ist klein, aber noch gibt es sie: Die Wahlkarten werden erst ausgezählt, die Schwankungsbreite lag bei Redaktionsschluss noch bei 1,4 Prozent. Ein amtliches Ergebnis ist erst am Donnerstag zu erwarten. Es heißt also weiterzittern.

Parteichefin Ingrid Felipe rang in einer ersten Reaktion um Worte: „Das ist ein Ergebnis, das uns alle sehr betroffen macht“, sagte sie. „Nämlich nicht nur, weil es ein massiver Rückschlag für unsere Partei ist, sondern auch, weil wir wissen, was der Zuwachs bei den anderen Parteien für unser Land bedeuten kann.“ Die Rede war nur kurz – auch sonst waren die Grünen ob dieses für sie enttäuschenden Ergebnisses wortkarg. „Natürlich sind wir nicht zufrieden“, hieß es. „Das ist erbärmlich“, hörte man. „Auf gut Wienerisch: Eine deutliche Watschen“, sagte etwa der Grüne Wiener Gemeinderatsabgeordnete Peter Kraus. Der stellvertretende Klubdirektor Werner Kogler äußerte sich mit einer Aussendung: Man habe eine „schwere Außensituation“ gehabt, aber auch „schwere eigene Fehler begangen“, schrieb er.

Totalabsturz nach gutem Start

Dabei hatte das Jahr für die Grünen mit der Angelobung ihres ehemaligen Parteichefs Alexander Van der Bellen fulminant begonnen. Noch nie hat eine grüne Partei in Europa den Präsidenten gestellt – offiziell trat Van der Bellen freilich als überparteilicher Kandidat an und konnte das Rennen gegen den freiheitlichen Kandidaten Norbert Hofer – nach einer Wahlwiederholung noch für sich entscheiden.

So hoch der Aufstieg – so tief war der Fall für die Grünen. Es begann mit dem Verlust einiger kompetenter Mitarbeiter, die nach dem intensiven Präsidentschaftswahlkampf gingen. Die Grünen verloren in einem Streit rund um die ÖH-Wahl im Frühling dann ihre Jugendorganisation. Ex-Parteichefin Eva Glawischnig kündigte am 18. Mai ihren Rücktritt an – nur wenige Tage zuvor hatte der ÖVP-Chef Sebastian Kurz Neuwahlen gefordert. Die Grüne Führungsspitze wurde geteilt: Die grüne Europaparlamentarierin Ulrike Lunacek wurde zur Spitzenkandidatin nominiert, die Tiroler Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe zur Parteichefin. Und als ob das nicht alles für die Grünen katastrophal genug gewesen wäre, zog sich Peter Pilz nach einem Parteitag zurück, nachdem er nicht auf den gewünschten Listenplatz gewählt wurde – um später eine eigene Liste zu gründen.

Das interne Chaos der Partei wurde vom Wähler abgestraft, was nun einen Kahlschlag in vieler Hinsicht bedeutet: Ein finanzieller, weil Klub- und Parteiförderung dementsprechend gekürzt werden. Ein personeller – denn einerseits werden die Mandate fast gedrittelt (die Grünen halten aktuell 24 Mandate), andererseits betrifft diese Reduktion auch die rund 80 Mitarbeiter, die im grünen Parlamentsklub angestellt sind. Sollten sie die Einzug nicht schaffen, ist ohnehin jede Förderung dahin.

Anders, als große etablierte Parteien, haben die Grünen kaum parteinahe Organisationen – wie das etwa bei SPÖ und ÖVP die Wirtschaftskammer sind – wo Mitarbeiter als Experten untergebracht, und bei Bedarf wieder aktiviert werden können. Die Expertise dieser Mitarbeiter wird den Grünen wohl verloren gehen. Der Versuch, bei einer späteren Wahl wieder auf die Beine zu kommen, wird auch deswegen umso schwieriger. Die Grüne Parteispitze zog sich am Sonntag recht schnell zurück – einige andere trösteten sich mit einem Glas Wein.

("Die Presse", Printausgabe, 16.10.2017)


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