Trotz seiner 93 Jahre ist Charles Aznavour immer noch ein Entertainer der Sonderklasse. Im Dezember gastiert er noch einmal in Wien.
Aznavour, Montand und Brel – das waren alles große Schauspieler, unverwechselbare Charaktere. Der Brel war sogar ein Berserker. Diese Leute haben ihre Lieder so viel differenzierter gesungen, als es Sänger mit klassischen Singstimmen tun hätten können. Chanson ist Welttheater in drei Minuten, hab ich vor langer Zeit gesagt. Dazu steh ich nach wie vor“, meinte Michael Heltau vor einigen Jahren. Charles Aznavour hatte er in den Siebzigerjahren zu Gast, als er fürs ZDF die Fernsehsendung „Liederzirkus“ moderierte, in der Hochkaräter des Chansons zu Gast waren. Mit der Vergangenheitsform ging Heltau in seinem Diktum zu locker um. Montand und Brel sind wohl tot, aber Aznavour ist höchst lebendig. Seinen 90. Geburtstag zelebrierte er mit einem Konzert in Berlin. Jetzt mit 93 Jahren ist er immer noch künstlerisch aktiv.
Zuletzt verjazzte er mit dem Clayton-Hamilton-Orchestra einige seiner berühmtesten Chansons wie „Comme ils disent“ und „La Bohème“, dann half er der charmanten Sängerin Zaz bei ihrem Paris-Album aus und schon hatte er wieder eine neue, eigene Liedersammlung beisammen. Auf dem sanft groovenden „Encores“ zeigte sich der armenisch-französische Sänger vor zwei Jahren auf der Höhe der Zeit. Bester Beweis dafür war sein herzerwärmendes Duett „You’ve Got to Learn“ mit dem charismatischen Jungstar Benjamin Clementine. Seine Stimme, von der manche früher behauptet haben, sie wäre gar keine, ist geschmeidig wie nie. Ob es nun um die Liebe geht oder nur um Schokoladecroissants – sie fleht mit der selben Zärtlichkeit. Aznavours jüngste Veröffentlichung, ein 2015 im Palais des Sports aufgenommenes Livealbum, zeigt ihn in großer Form. Er gibt wohl dieser Tage weniger Konzerte als in den Sechziger- und Siebzierjahren, dafür verwöhnen diese immer noch mit zwanzig und mehr Chansons.