Islamic Banking: Geldgeschäfte, von Allah genehmigt

(c) EPA (Abed Al Hafiz Hashlamoun)
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Kein Glücksspiel, keine Spekulationen, keine Zinsen: Im Islamic Banking herrschen andere Regeln. Die Geldgeschäfte mit Muslimen gelten mit Zuwachsraten von fast 30 Prozent als lukrativer Zukunftsmarkt. In Österreich ist dieser Trend bislang noch nicht angekommen.

Wer am Vorabend des 12. November Aktien des Erotikunternehmens „Playboy“ gekauft hatte, konnte gutes Geld verdienen: Gerüchte über einen möglichen Verkauf des Hefner-Imperiums trieben das Papier um über 40 Prozent in die Höhe. Ein gutes Geschäft für Börsianer, die auf kurzfristige Spekulationen setzen. In einer Sparte der Finanzwelt sind solche Geschäfte ausdrücklich verboten: Das Islamic Banking, das mit den Regeln des Islam konform geht, untersagt Investitionen in die Sexindustrie ebenso wie Spekulationen. Nicht erlaubt sind auch Investitionen in die Glücksspielindustrie oder in Firmen, die offensichtlich kurz vor dem Zusammenbruch stehen. Außerdem gilt das Zinsverbot: Der Anleger darf weder Zinsen zahlen noch erhalten.

Das islamische Bankwesen gilt als Wachstumsmarkt: Im Vorjahr erhöhte sich das Anlagevolumen bei scharia-konformen Banken oder islamischen Anlagestellen regulärer Banken um fast 30 Prozent. Weltweit sind 822 Milliarden Dollar (575 Mrd. Euro) scharia-konform angelegt, so die Daten des britischen Finanzmagazins „The Banker“. Studien zufolge gibt es mehr als 300 islamische Banken. Im arabischen Raum, woher das Islamic Banking kommt, ist es am stärksten vertreten. Doch auch in Europa wittern Finanzinstitute die Nische. So will die „Kuveyt Türk Bank“ im März eine Zweigstelle für islamkonforme Finanzdienstleistungen in Mannheim eröffnen.

Als bekannteste islamische Bank Europas eröffnete 2004 in Großbritannien die „Islamic Bank of Britain“ (IBB) ihre Pforten. „Grow your savings the Halal way“, wirbt sie auf ihrer Homepage. „Halal“ bedeutet, dass die Produkte mit der Scharia, dem islamischen Recht, vereinbar sind. Die IBB kann mit so ziemlich allem aufwarten, was das islamische Bankwesen zu bieten hat: von der Eigenheimfinanzierung über Kredite für Firmenkunden bis hin zum einfachen Taggeldkonto. Anstelle von Zinsen gibt es „Profit Rates“, Beteiligungen am Gewinn, den die Bank mit dem veranlagten Geld erzielt. Überwacht wird die Einhaltung der islamischen Vorschriften von einem „Scharia Board“.

Die Bank verpflichtet sich, das Geld ihrer Kunden nur schariakonform zu investieren. Das funktioniert zum Beispiel so: Wird ein Haus finanziert, so schaltet sich als Käufer die Bank dazwischen. Der Kunde vereinbart mit der Bank eine monatliche Ratenzahlung, ein Aufschlag ersetzt der Bank die Zinsen. Das Haus bleibt so lange im Besitz des Geldinstituts, bis der Kunde die Raten vollständig abgezahlt hat. Am Ende des Geschäftes steht ein weiterer Kaufvertrag, mit dem das Haus in den Besitz des eigentlichen Käufers übergeht.

Ein Problem ist, dass bei dieser Art des Geschäftes die Grundsteuer zweimal anfällt: Einmal beim Ersterwerb des Hauses, und einmal, wenn das Haus an den Endkunden verkauft wird. In Großbritannien hat man dieses Problem gelöst, indem man die doppelte Besteuerung abgeschafft hat, erzählt Daniela Chikova, die bei der österreichischen Niederlassung der Beraterfirma A.T.Kearney den Bereich Islamic Banking betreut. „Erst ab diesem Zeitpunkt waren die islamischen Produkte erfolgreich.“ Zwei Jahre nach der Eröffnung verzeichnete die IBB 30.000 Konten. „Im Vergleich zu den rund 1,5 Millionen Moslems, die in Großbritannien leben, ist das nicht viel.“


Eine Norm für Europa. Mit solchen und ähnlichen Problemen setzt sich derzeit eine Expertengruppe im Österreichischen Normungsinstitut auseinander. Das Fachgremium entwickelt im Auftrag des Islamischen Informations- und Dokumentationszentrums (IIDZ) eine Norm, die die Anforderungen an islamkonforme Finanzdienstleistungen festlegt. Im Mittelpunkt stehen das Zinsverbot und das Verbot von Spekulationen. Bis jetzt gibt es laut Normungsinstitut noch keine EU-konformen Regeln für Islamic Banking.

„Die Banken sollen konkrete Regeln bekommen, auf deren Basis sie islamkonforme Produkte anbieten können“, sagt Günther Ahmed Rusznak, der als Generalsekretär des IIDZ dem Gremium im Normungsinstitut vorsitzt. Die Norm soll in der gesamten EU Gültigkeit haben. Er sieht zwischen 40 und 50 Prozent der etwa 400.000 in Österreich lebenden Moslems als potenzielle Kunden. „Im Koran steht: Dem Zinsnehmer und dem -geber erklärt Allah den Krieg. Und wer will schon einen Krieg mit Gott anfangen?“

Eine Studie von A.T.Kearney aus dem Jahr 2007 bestätigt das. Die vergleichsweise junge muslimische Gemeinde in Österreich wachse stark. Außerdem attestiert A.T.Kearney Muslimen zwar ein niedrigeres Haushaltseinkommen, aber eine höhere Sparquote als dem Durchschnittsösterreicher. Fazit: „Besonders islamische Finanzierungsprodukte werden sich auf dem österreichischen Markt gut etablieren.“


Warten auf die Nachfrage. Hört man sich bei den Banken um, klingt das anders. „Ich kann nur über die Rückmeldung aus dem Filialbetrieb sprechen“, meint Bank-Austria-Sprecher Tiemon Kiesenhofer, „und da orten wir die Kundennachfrage noch nicht.“ Mit Studien, die dem Islamic Banking in Österreich großen Zuspruch bescheinigen, stimme die Erfahrung bei der Bank Austria nicht überein. „Die Bank Austria hat kein eigenes Angebot und wir planen derzeit auch keines.“

„Bis jetzt nähern sich die Banken dem Thema nicht ernsthaft“, glaubt Mouddar Khouja, persönlicher Referent von Anas Schakfeh, dem Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft. „Ich hatte Gespräche mit Bankmanagern, die das Potenzial noch nicht sehen. Aber in der muslimischen Community ist ein sehr großer Bedarf da.“ Doch nicht nur die Banken würden das vorhandene Interesse verkennen, „auch die Muslime sind nicht aktiv“.


Ein erster Fonds. Um in Österreich lebenden Muslimen dennoch eine Möglichkeit anzubieten, ihr Geld ohne Verstoß gegen die Grundsätze des Islam anzulegen, hat Khouja mit seiner Firma „Baraka“ vor etwa einem Jahr einen islamgerechten Fonds aufgelegt. Der „Islamic Fund – Equity Optimiser“ wird von der österreichischen Niederlassung der französischen Bank BNP Paribas vertrieben und dient als Finanzierungsgrundlage für eine Lebensversicherung bei der Helvetia Bank. Man kann aber auch direkt investieren. „Der Fonds wird von den Muslimen in Österreich gut angenommen“, sagt Khouja. „Wir richten uns an die Mittelschicht und den Durchschnittsbürger, der für seine Pension etwas auf die Seite legen möchte.“ Khouja spricht von über 100 Anlegern. Darunter befänden sich auch Nichtmuslime.

Im Fonds sind Aktien des Pharmakonzerns Sanofi-Aventis ebenso enthalten wie des britischen Energiekonzerns BP. Daneben finden sich Technikaktien wie BASF oder China Mobile. „Der Fonds geht mit dem Islamic Dow Jones konform und wir werden dabei von einem Scharia-Board überprüft“, ergänzt Khouja.

Abgesehen davon ist das Angebot spärlich. Die Erste Sparinvest hat einen Fonds in Planung, der laut eines Sprechers zwar schon von der Finanzmarktaufsicht genehmigt ist, im Zuge der Krise aber auf Eis gelegt wurde. Die RZB bietet ein „Islamic Finance“-konformes Konto an – allerdings richtet sich das Angebot nur an Finanzinstitute und Firmen, nicht an Privatpersonen. Die Uniqa Versicherung vertreibt über ein Joint Venture in den Vereinigten Arabischen Emiraten schariakonforme Gruppenlebens- und -krankenversicherungen. Zwar sei man laut Sprecher Norbert Heller interessiert, früher oder später auch ein entsprechendes Produkt in Österreich zu vertreiben, wann und wie das passieren soll, ist aber noch nicht absehbar.

Die Norm soll laut IIDZ-Vorsitzendem Rusznak bis zum Sommer fertig sein. Er hofft, dass dann Bewegung in den Markt kommt: „Einige Banken haben schon Interesse gezeigt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2010)

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