Eine Mahnung an die künftige Koalition

Mehr als 1300 Rekruten wurden am gestrigen Nationalfeiertag auf dem Heldenplatz angelobt. Das Heer organisiert an diesem Tag traditionell auch eine Leistungsschau.
Mehr als 1300 Rekruten wurden am gestrigen Nationalfeiertag auf dem Heldenplatz angelobt. Das Heer organisiert an diesem Tag traditionell auch eine Leistungsschau.(c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
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Kerns Abschied, Van der Bellens Premiere: Wie sich die Nationalratswahl auf diesen 26. Oktober auswirkte.

Viel Zeit, um sich einzuleben, hatte Christian Kern ja nicht: Eineinhalb Jahre arbeitete er hier im Bundeskanzleramt – und so, wie es aussieht, wird es in wenigen Wochen vorbei sein. Dafür hat er in der Zeit viel „unnützes Wissen“ über das Haus gesammelt, wie er es selbst nennt. Der grüne Tisch im Ministerratssaal? „Daher leitet sich das Sprichwort ab.“ Sein jetziges Büro? „Das war früher das Metternich-Zimmer.“ Am spektakulärsten sei aber das Kreisky-Zimmer. „Der Schreibtisch ist noch derselbe wie damals.“

Wem Kern das erzählt? Einer Traube von Menschen, die am Nationalfeiertag ins Kanzleramt gekommen sind. Hauptsächlich für ein Selfie, vereinzelt für ein Autogramm, ein paar Jugendliche wollen mit dem Kanzler über den Katalonien-Konflikt sprechen. Ein Bub zeigt ihm auch einen Fächer in seiner Lieblingsfarbe: Türkis. „Das g'fallt mir ein bisschen weniger“, sagt Kern. „Aber dir seh ich es nach.“ Der Kanzler genießt die Aufmerksamkeit sichtlich – schließlich ist es seine Abschiedstour durch das Haus. Vorerst, glaubt Kern: Der Tag der offenen Tür werde für ihn „nicht der letzte sein“.

Bis das nächste Mal gewählt wird, werden planmäßig aber noch vier bzw. fünf weitere Nationalfeiertage stattfinden. Feiertage, an denen nicht er, Kern, durch das Kanzleramt führen wird und eine Ansprache auf dem Heldenplatz hält. Also nutzt er nochmals die Gelegenheit bei seiner Rede vor der traditionellen Angelobung der Rekruten. Und richtete seinen Nachfolgern in der Regierung eine Mahnung aus: Österreich sei eine Wertegemeinschaft, und zwar „selbstbewusst und patriotisch“, aber nicht „chauvinistisch, kleingeistig und ängstlich“. Es gebe „keinen Platz für Hetze und Antisemitismus“. Man brauche ein starkes Österreich in einem starken Europa. „Spalten kann niemals eine Lösung sein.“

Auch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil hat auf dem Heldenplatz „zwei Appelle an die neue Regierung“, wie er es formuliert. Zum einen soll „der Budgetpfad weiterhin beschritten werden“. Soll heißen: Auch in den kommenden Jahren sollte das Bundesheer genügend Budget erhalten. Denn: „Sicherheit kostet Geld.“ Zum anderen müsse die Truppe „aus dem politischen Hickhack und Streit“ herausgehalten werden. „Es ist wichtig, über die Zukunft des Heeres zu diskutieren“, sagt er. Allerdings abseits von Parteiinteressen.

„Klares Bekenntnis zu Solidarität“

Nur einer der Redner an diesem Donnerstagvormittag ist auch für das nächste Jahr eingeplant: Bundespräsident Alexander Van der Bellen feierte sozusagen seine Premiere als Hauptredner auf dem Heldenplatz. Die Botschaft war allerdings eine ähnliche wie jene von Kern und Doskozil, wenn auch verklausulierter. Das Fazit: Die kommende Regierung müsse sich auf das Gemeinsame, nicht auf das Trennende konzentrieren. In seiner TV-Ansprache am Abend wird er etwas konkreter: Das Resultat der Nationalratswahl zeige einen Willen zur Veränderung. „Aber es braucht eine exakte Unterscheidung zwischen den Dingen, die verändert werden müssen, und den Dingen, die wir in unserem Land als immerwährend sehen.“ Und diese wären unter anderem „das Beachten der Grund- und Menschenrechte, der Rechte der Minderheiten“. Und: „Das klare Bekenntnis zu Solidarität und Empathie, so dass der Stärkere dem Schwächeren hilft.“ Außerdem brauche es ein „klares Ja zur europäischen Zusammenarbeit“.

Diejenigen, die angesprochen wurden, hielten sich am Feiertag übrigens zurück: ÖVP-Chef Sebastian Kurz war zwar bei der Angelobung der Rekruten dabei, ließ aber den Tag der offenen Tür in seinem Außenministerium aus. Aus Termingründen, wie es hieß.

Und die FPÖ? Parteichef Heinz-Christian Strache versuchte, auf die indirekte Kritik seiner Vorgänger zu reagieren. Und richtete via Aussendung aus: „Falls wir Freiheitliche tatsächlich Mitglied der nächsten Bundesregierung werden, dann haben auch wir den Auftrag, im Rahmen des EU-Ratsvorsitzes für Österreichs und Europas Sicherheit zu sorgen. Stabilität, Frieden und Fairness sind unsere höchsten Güter.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2017)

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