Rumänien: Das Chaos killt den Boom

Die wirtschaftliche Fassade des Landes glänzt. Aber dahinter sieht es schnell düster aus.
Die wirtschaftliche Fassade des Landes glänzt. Aber dahinter sieht es schnell düster aus. (c) REUTERS (Bogdan Cristel)
  • Drucken

Keine Volkswirtschaft in der EU wächst schneller als Rumänien. Doch der Zickzackkurs der Regierung und neue Steuerideen im Monatstakt gefährden den Aufschwung.

Wien/Bukarest. Die Geschichte erzählt man sich in Rumänien gern: Wanderten jahrelang alle jungen Landsleute in den Westen aus, so kommen heute die Westler aus Deutschland, Großbritannien und Skandinavien zum Programmieren nach Cluj. Tatsächlich locken Nettolöhne von 3000 Euro und niedrigste Lebenshaltungskosten eine kleine Elite an Softwareingenieuren aus aller Welt in die Region. Doch Rumäniens Traum vom Silicon Valley könnte ein abruptes Ende finden. Die Regierung in Bukarest gilt den Investoren im Land als komplett unberechenbar. Ihr Zickzackkurs in Sachen Steuerpolitik verschreckt Unternehmer wie Mitarbeiter gleichermaßen. Ab 2018 soll eine Steuerreform greifen, an deren Ende die Unternehmen mehr bezahlen, Angestellte aber ein Fünftel weniger Lohn bekommen könnten. Der Boom des Balkanlandes wäre wohl rasch wieder Geschichte.

„Diese Regierung arbeitet nur noch mit Ankündigungen und Dementis. Niemand kennt sich mehr aus“, sagt Franz Weiler zur „Presse“. Der Österreicher ist Chef der Uniqa-Versicherung im Land, spricht aber in seiner Funktion als Vertreter der Auslandsinvestoren im Foreign Investors Council. Seit die Sozialdemokraten vor knapp einem Jahr an die Macht zurückgekehrt sind, schießen sie fast im Monatstakt neue Steuergesetze und Regularien per „Notverordnung“ aus der Hüfte. Oft werden sie wieder umgestoßen, bevor sie in Kraft getreten sind.

Höhere Kosten, weniger Lohn

Am Freitag wollte die Regierung ein neues Steuerpaket festzurren, das ab 1. Jänner 2018 in Kraft treten soll. Die Unternehmen hätten damit weniger als acht Wochen Zeit, um sich (wieder einmal) auf komplett neue Spielregeln einzustellen. Diesmal wird der Mindestlohn auf einen Schlag um 30 Prozent erhöht. Kleinere Unternehmen müssen Steuern auf ihren Umsatz bezahlen, selbst wenn sie Verluste schreiben. Und wer künftig in Rumänien Waren kauft, zahlt den Nettobetrag an die Firma, die Mehrwertsteuer aber auf ein zweites Firmenkonto, auf das der Fiskus Zugriff hat. „Das ist komplett unadministrierbar“, klagt Gerd Bommer, Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Bukarest. Die Kosten für die Unternehmen seien enorm, der Mehrwert nicht erkennbar. Zudem sei noch immer unklar, welche Unternehmen sich tatsächlich daran halten müssten.

Aber nicht nur die Firmen sind erbost, auch von Gewerkschaftsseite hagelt es Kritik, ein Generalstreik ist bereits in Planung. Die Arbeitnehmervertreter stoßen sich vor allem an den Plänen der Regierung, die Sozialversicherungsbeiträge künftig nur noch von den Arbeitnehmern bezahlen zu lassen. Die Folge: Passen die Arbeitgeber die Bruttolöhne nicht an, könnten die Nettolöhne um bis zu 20 Prozent sinken. Eine Verpflichtung für Arbeitgeber, die Nettolöhne auf gleichem Niveau zu halten, gibt es nicht. „Niemand versteht, warum das gemacht wird“, sagt Weiler.

Spekulationen gibt es im Land aber mehr als genug: Erst im Frühling hat die Regierung beschlossen, einer Million Staatsbediensteten 25 Prozent mehr Lohn zu bezahlen. Die Nebenwirkungen wurden dabei offenbar nicht bedacht. Etliche Gemeinden auf dem Land können sich die drastisch gestiegenen Kosten nicht mehr leisten und stehen am Rand des Bankrotts. Für sie wäre die Umwälzung der Sozialversicherungsbeiträge auf die Mitarbeiter eine große Entlastung.

OMV zögert bei Investition

All das ist Gift für eine Volkswirtschaft, die mit Wachstumsraten von knapp sechs Prozent derzeit eigentlich das Vorzeigeland der Europäischen Union sein könnte. Doch die Regierung habe sich zusehends von den Sozialpartnern abgeschottet, erzählen Unternehmer und Gewerkschafter unisono. Ansprechpartner auf fachlicher Ebene gebe es kaum noch.

Stattdessen müssen die Sozialdemokraten rudern, um das Budgetloch noch halbwegs überschaubar zu halten. Drei durchwegs populistisch motivierte Senkungen der Mehrwertsteuer haben eine klaffende Lücke im Staatshaushalt hinterlassen. Obwohl die Wirtschaft des Landes längst überhitzt, stagnieren die Steuereinnahmen. Mittlerweile ist nicht einmal mehr genug Geld da, um wenigstens das notwendige Zehntel der Kosten für dringend benötigte EU-Infrastrukturprojekte zu bezahlen. So warten Großinvestoren wie Daimler und Ford bisher vergeblich auf die versprochenen Autobahnen, damit sie ihre im Land produzierten Autos auch ausliefern können. Die Direktinvestitionen aus dem Ausland sanken 2017 bis Ende August um ein Fünftel. Auch die Tausenden österreichischen Unternehmen im Land sind zusehends zögerlich. Neuinvestitionen gibt es de facto nicht mehr. Auch die OMV ziert sich, die Entscheidung für ein Multimilliarden-Euro-Projekt im Schwarzen Meer zu treffen. Noch sei alles zu ungewiss, heißt es bei der OMV-Tochter Petrom.

Ökonomen sorgen sich, dass auch die bisher noch kräftige Konjunktur rasch erlahmen könnte. Schon heute finden die Firmen kaum Mitarbeiter im Land. Die politische Ungewissheit mache alles nur schlimmer. „Auch ein Regierungswechsel wird nicht viel bringen“, sagt Franz Weiler. „Was hier passiert, ist wirklich dramatisch.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Fondsmanager Morten Lund Ligaard sieht in den CEE-Ländern speziell für die Finanzbranche noch viel Potenzial.
Geld & Finanzen

„Der Aufholprozess in der CEE-Region ist voll im Gang“

Fondsmanager Morten Lund Ligaard erklärt, weshalb er in der CEE-Region vor allem auf Bankaktien setzt. Und wieso ihn das kräftige Minus bei Do & Co als Investor nicht abschreckt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.