Van der Bellen rügt schwarz-blaue Verhandler: "Das Neue fehlt bisher"

Alexander Van der Bellen
Alexander Van der BellenAPA/HANS KLAUS TECHT
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Der Bundespräsident kürzt seinen Besuch im Vatikan ab, um sich über den Stand der Koalitionsverhandlungen zu informieren. Es wundere ihn, dass die Flüchtlingsfrage bei den Gesprächen aktuell bleibe.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen übt Kritik an den laufenden Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ. Ihm fehle dabei bisher das "Neue", erklärte er am Donnerstag am Rande seines Besuchs bei Papst Franziskus im Vatikan: "Darauf warte ich noch." Dass Steuern gesenkt werden sollen, sei beispielsweise schon früher öfters ein Thema gewesen. Dass die Flüchtlingsfrage bei den Verhandlungen aktuell bleibe, wundere ihn, so Van der Bellen, weil sie auf Österreich bezogen derzeit nämlich im Griff sei.

Der Bundespräsident lässt sich am Freitag von den Koalitionsverhandlern über den Verlauf ihrer Gespräche informieren. Er kürzt deshalb seinen Rom-Besuch ab.  In der Präsidentschaftskanzlei spricht man von einem routinemäßigen Treffen.

Steuerungsgruppe tagt am Freitag wieder

Die Steuerungsgruppe der Koalitionsverhandlungen mit den Parteichefs Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) an der Spitze tagt morgen, Freitag, ebenfalls wieder. Dabei sollen bisherige Zwischenergebnisse der Cluster- und Fachgruppen durchgegangen werden. Danach dürften sich die Verhandler erstmals seit längerem wieder öffentlich zum Verlauf der Gespräche äußern.

Das türkise Wahlkampf-Momentum der Schwarzen haben die Blauen mit ihrem Wunsch nach detaillierten Verhandlungen ja vorerst gebrochen. Einen Monat nach der Wahl ist davon derzeit nur wenig zu sehen und die Koalitionsgespräche plätschern dahin. Über hundert Leute verhandeln fünf Themen-Cluster in 25 Fachgruppen, von denen sich einige auch noch nicht allzu oft getroffen haben. Kaum etwas ist von diesen Gesprächen nach außen gedrungen, bahnbrechende Veränderungen erst recht nicht.

Geeinigt hat man sich bisher auf einen konkreten Budgetpfad, der nicht wirklich vom bisher geplanten abweicht, sowie auf eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote von derzeit 43,2 in Richtung 40 Prozent. Auch die bereits im Wahlkampf angekündigte Zusammenlegung von Sozialversicherungen soll kommen. Inhaltlich am weitesten sei man darüber hinaus beim Thema Sicherheit und Heimatschutz, hieß es von ÖVP und FPÖ.

Daneben schwirrten in den vergangenen Tagen eine ganze Reihe von diskutierten und nicht akkordierten Einzelmaßnahmen und Ideen durch den medialen Äther - von der Wiedereinführung von Ambulanzgebühren über Tempolimit- und Rauchverbot-Aufhebungen bis hin zu Änderungen bei der Abschaffung des Pflegeregresses. Diese wurden teils umgehend dementiert, in den Verhandlungen noch gar nicht besprochen oder dort auch gleich wieder auf Eis gelegt. Gegen das eine oder andere angebliche Vorhaben formierte sich auch schon prophylaktischer Widerstand von Ländern und/oder Interessensvertretungen.

Antrag zur Änderung des Bundesministeriengesetzes eingebracht

Auch über Ministerposten wird bereits heftig spekuliert. Fix ist aber auch hier noch nichts. Die FPÖ nannte bisher das Innenministerium als Voraussetzung für eine Koalitionsbeteiligung. Der Rest scheint im Fluss. Damit es nach den Regierungsverhandlungen schnell gehen kann, haben ÖVP und FPÖ im Parlament schon einmal einen Antrag zur Änderung des Bundesministeriengesetzes eingebracht, der im Fall eines Koalitionsabschlusses recht rasch als "Trägerrakete" für gröbere Kompetenzänderungen bei den Ministerien eingesetzt werden kann.

Zum Regierungsteam ließ auch Bundespräsident Van der Bellen schon Bedingungen anklingen. Den EU-Abgeordneten Harald Vilimsky und den Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus will der Bundespräsident keinesfalls als Minister angeloben, sickerte über diplomatische Kreise durch. Während seiner aktuellen Rom-Reise erklärte Van der Bellen gegenüber Journalisten, dass er natürlich sehr genau schauen werde, wie sensible Ressorts vergeben und besetzt werden. Sensible Ministerien sind nach Meinung des Bundespräsidenten "das Innenministerium, das Außenministerium, Justiz und Finanz". Da müsse man auch an mögliche Konsequenzen denken. "Wir müssen das dann ja bis zu einem gewissen Grad mittragen", sagte Van der Bellen.

(APA)

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