„Jamaika“-Aus lässt Börsen eher kalt

VW will Umsatz und Gewinn bis 2020 stärker steigern als bisher angenommen.
VW will Umsatz und Gewinn bis 2020 stärker steigern als bisher angenommen. (c) REUTERS
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Nach kurzem Schreck über das Scheitern der Regierungsverhandlungen in Deutschland drehte der DAX ins Plus. Vor allem VW legte dank besserer Prognosen kräftig zu.

Wien. Politische Börsen haben kurze Beine, heißt eine Börsenweisheit. So ließ die Brexit-Entscheidung der Briten im Juni des Vorjahres die Aktienkurse kurz einbrechen, binnen weniger Tage erholten sie sich aber wieder. Der Schreck der Investoren nach der Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA währte nur ein paar Stunden, dann setzen die Indizes ihre Höhenflüge fort.

Auch nach dem Scheitern von Jamaika in Deutschland – einer möglichen Regierung aus CDU/CSU, FDP und Grünen – starteten die Börsen zwar im Minus, am Nachmittag lagen sie schon wieder im Plus, allen voran der Frankfurter Leitindex DAX, der wieder über die Marke von 13.000 Punkten kletterte. Grund: die robuste Konjunktur. Der Europa-Chefvolkswirt der Nordea-Bank, Holger Sandte, meinte zum Platzen der Jamaika-Option: „Der volkswirtschaftliche Schaden dürfte gering sein, denn die Fundamentaldaten sind stark, und die Konjunktur hat viel Rückenwind.“

Energieaktien reagieren

„Wir erwarten nicht, dass es zu einer veritablen politischen Krise beziehungsweise zu einem nachhaltigen Kurswechsel in der deutschen Politik kommt“, sagte Volkswirt Jan Bottermann von der Essener National-Bank. „Für die Märkte maßgeblich ist das gute internationale Umfeld, das der deutschen Wirtschaft auch weiterhin ein kräftiges Wachstum bescheren wird.“ Für Markus Huber vom Brokerhaus City of London wären Neuwahlen zudem nicht zwingend negativ. „Die Chancen stehen gut, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel ein besseres Ergebnis erzielt, da die deutsche Wirtschaft seit der Wahl im September so stark boomt wie seit Jahren nicht mehr.“

Durch die schwindende Aussicht auf eine grüne Regierungsbeteiligung könnte sich die geplante Stilllegung von Kohlekraftwerken verzögern, sagte ein Börsianer. Gleichzeitig werde der Ausbau der erneuerbaren Energien langsamer vorankommen. Während die Papiere des Kohlekraftwerksbetreibers RWE deutlich zulegten, zählten jene des Windturbinenbauers Nordex und des Solarzellenherstellers SMA Solar zu den schwächsten Titeln im Technologiewerteindex Tec DAX.

Andere starke Kursveränderungen dürften mit der deutschen Politik nur am Rande zu tun haben: Zu einem kräftigen Erholungsschub setzte die Aktie des Biotech-Unternehmens Evotec an. Stärkster DAX-Wert war VW: Das Unternehmen hatte Umsatz- und Gewinnprognose angehoben.

Auch die US-Börsen starteten im Plus. Zu den stärksten Gewinnern zählten nach Handelsstart die Papiere von IBM und Cisco. Hintergrund ist eine mögliche weitere Milliarden-Übernahme in der US-Halbleiterbranche. Der Chiphersteller Marvell Technology will den Konkurrenten Cavium übernehmen. Cavium-Aktionäre sollen für jedes ihrer Papiere 40 Dollar in bar erhalten sowie Aktien von Marvell, wie der Konzern mitteilte. Dadurch habe das Angebot einen Wert von sechs Milliarden Dollar. Von den Verwaltungsräten beider Konzerne gab es bereits grünes Licht. Beide Aktien legten zu.

Walmart verliert

Unter den Einzelwerten im Dow Jones gaben die Papiere des Einzelhändlers Walmart nach. Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat Walmart nach einem starken Kursanstieg von „Buy“ (Kaufen) auf „Neutral“ abgestuft. Das Kursziel hob man zwar von 91 auf 100 US-Dollar an, doch kostete die Aktie zuletzt schon mehr als 96 Euro. Der Markt habe den Fortschritt bei den Gewinnen des Handelsriesen bei gleichzeitigen Investitionen in sein Geschäft anerkannt, schrieb Analyst Matthew Fassler in einer Studie. (b. l./ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2017)

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