Missbrauchsvorwürfe: ÖSV fordert von Werdenigg Namensnennung

GEPA
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Video: Ex-Skirennläuferin Nicola Werdenigg will weiterhin keine Namen nennen, brachte im ZiB2-Interview aber einen "Fall 2005" ins Spiel. Der damalige Trainer Herbert Mandl dementiert gegenüber "Kleine Zeitung", der ÖSV fordert nun die Namensnennung.

Die ehemalige Skirennläuferin Nicola Werdenigg (geborene Spieß) hat sich in einem Interview in der ORF-Sendung "ZiB 2" am Mittwochabend zu ihren Missbrauchsvorwürfen, die "vielen positiven Reaktionen" darauf und warum sie die Namen ihrer damaligen Peiniger nicht nennen will, geäußert. Zudem berichtete Werdenigg auch von einem Fall, der erst rund zwölf Jahre zurückliegen soll.

Der Österreichische Skiverband (ÖSV) recherchierte versendete am Donnerstag folgendes Statement:         

Beim Österreichischen Skiverband gehören Ethik, Fairness und Respekt zu den obersten Maximen. In einem Sportverband, der für die Ausbildung junger Menschen verantwortlich ist, sind Respekt und Sensibilität von den Führungskräften besonders gefragt. Nachdem Frau Werdenigg-Spieß in der ZIB 2 Sendung vom 22. 11. 2017 behauptet hat, dass es 2005 im ÖSV-Team einen Vorfall gegeben haben soll, von dem die sportliche Leitung Bescheid wissen muss, gab es heute intensive interne Recherchen.

„Ich nehme die Aussagen von Frau Werdenigg-Spieß sehr ernst, denn sollte es tatsächlich Vorfälle gegeben haben von denen der Verband nichts erfahren hat, dann möchte ich dies geklärt wissen. In unserer Größenordnung – 450 Aktive und rund 200 Trainer und Betreuer- kann man grundsätzlich nichts von vornherein ausschließen", so der Präsident wörtlich. Aus diesem Grunde wurden die damals verantwortlichen sportlichen Leiter, Herbert Mandl und Hans Pum, zu den erhobenen Vorwürfen befragt. Beiden ist kein derartiger Vorfall während ihrer gesamten Funktionsperiode bekannt, was sie dem Verband auch schriftlich bestätigt haben. Um den von Werdenigg-Spieß angeführten Fall untersuchen und klären zu können haben wir sie ersucht uns die Details dazu bekannt zu geben."

"Ich habe sehr viele positive Reaktionen gekriegt. Viele haben sich sogar bedankt. Es waren sehr viele Männer darunter, die mir Mut gemacht haben, weiterzumachen und alles zu erzählen", erklärte Werdenigg. Darunter wären auch viele Sportler gewesen, die ihr Dinge erzählt haben. Den Grund für ihr sehr spätes Outings sei einerseits der Fall eines Wiener Volleyball-Trainers gewesen, der sieben Mädchen missbraucht, Dutzende belästigt sowie Kinderpornografie verbreitet haben soll. Andererseits sei ihr der Zeitpunkt wegen der aktuellen #metoo-Kampagne in den sozialen Medien günstig erschienen.

Die Tatsache, dass Werdenigg für die Liste Pilz kandidiert habe (Pilz ist ja selbst mit Vorwürfen sexueller Belästigung konfrontiert), habe "überhaupt keine Rolle gespielt": "Ich habe die Geschichte schon lange vorbereitet gehabt. Das war schon im Juni, und lange bevor ich an die Politik gedacht habe."

Der Aufforderung von ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel, Werdenigg solle Namen nennen, will die 59-jährige Tirolerin nicht nachkommen. "Erstens ist der Vorfall gut 40 Jahre her. Hätte ich Maßnahmen ergreifen wollen, hätte ich kurz darauf eine Anzeige erstatten müssen... Würde ich die öffentlich outen, wäre das nach meinem Rechtsempfinden nicht richtig. Ich kann sie rechtlich nicht mehr belangen", erklärte die Olympia-Abfahrts-Vierte 1976 in Innsbruck.

Auch bei interner Klärung würden ihrer Meinung nach sehr viele Leute davon erfahren. "Ich möchte nicht alle unter Generalverdacht stellen, aber ich kann den Namen ohne Gerichtsverfahren, ohne rechtliche Grundlage nicht öffentlich machen."

Zudem berichtete Werdenigg, dass sie im Zuge ihres Outings Informationen über Aufnahmerituale erhalten habe. "Es gab ein Aufnahmeritual in diversen Ski-Umgebungen. Das war das Einschmieren der Genitalien mit Schuhpaste, und das war gang und gäbe. Wer das nicht mitgekriegt hat, hat es wahrscheinlich vergessen oder verdrängt."

Werdenigg bezweifelt, dass die Thematik nur ihre aktive Zeit betrifft. "Ich glaube nicht, dass es vorbei ist. Ich kenne selbst einen Fall aus 2005, der sogar an die Mannschaftsführung herangetragen wurde." Werdenigg sprach dabei den "Damenchef und ein noch höherer Funktionär" an.

Mandl: "Habe nie von sexuellen Übergriffen gehört"

Damaliger Damenchef war Herbert Mandl. Dieser wurde am Donnerstag von der "Kleinen Zeitung" (online) erreicht. Der von 2002 bis 2013 in dieser Funktion tätige Rennsportleiter der Damen dementierte dies heftig. "Ich kann nur über meine ganze Amtszeit als Damentrainer sagen, dass ich nie von sexuellen Übergriffen gehört habe oder Informationen darüber bekommen habe. Das weise ich auf das Schärfste zurück. Das ist überhaupt nicht denkbar!"

Der Leiter der Ski-Akademie in St. Christoph erzählte, dass es auch damals schon klare Richtlinien im Umgang mit den Damen gab. "Die Vorgabe der respektvollen Behandlung und die Warnung an alle, die Damen vorsichtig zu behandeln, das war schon in der Trainerausbildung und Besprechung immer Thema", so Mandl.

Werdenigg begrüßte die vom ÖSV am Mittwoch angekündigten Maßnahmen, empfahl aber das Hinzuziehen von Psychologen und Beratern, die Fachleute sind. "Ich habe es jetzt bei mir selbst gemerkt. Mir sind bei einigen Geschichten, die mir andere Sportlerinnen und Sportler erzählt haben, die Tränen gekommen." Es geht Werdenigg weniger um ihre eigene "gut aufgearbeitete" Geschichte, sondern um eine Enttabuisierung sexualisierter Gewalt. "Mir geht es nicht um den österreichischen Skiverband, sondern um sexualisierte Gewalt generell und vor allem, wenn Kinder davon betroffen sind", sagte Werdenigg in der "ZiB 2".

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