Das Gemüse und das gute Gewissen

Eine kleine Plastikschale kann die Ökobilanz eines Lebensmittels zunichtemachen.

Bei den Erdbeeren hat es sich schon herumgesprochen, dass man der Umwelt nichts Gutes tut, wenn man sie im Winter im Supermarkt kauft. (Dass sie auch meist nach wenig schmecken, ist eine andere Geschichte.) Ansonsten ist es aber gar nicht so leicht, den Überblick zu behalten. Biosalat aus Italien oder Gemüse aus Österreich klingt zwar gut, muss es aber nicht sein. Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Denn der Transport allein macht meist nur einen kleinen Teil des ökologischen Fußabdrucks aus, den ein Lebensmittel bei seiner Produktion hinterlässt. Anders sieht das bei der Frage aus, ob die Kultur beheizt wurde (und wenn ja, womit), wie viele Betriebsmittel eingesetzt wurden oder wie das Produkt verpackt wurde (am besten gar nicht, am schlimmsten in einer 100-Gramm-Plastikschale). Und was meist unterschätzt wird: Die Energieersparnis, die bei der Produktion mühsam errungen wurde, kann mit einem Schlag zunichtegemacht werden, indem jeder Kunde einzeln mit seinem Pkw zum Ab-Hof-Verkauf fährt.


Bis hin zur Verpackung. „Es ist wichtig, sich die ganze Lebensmittelkette anzuschauen, von der Herstellung, Verpackung und Sortierung bis hin zur Frage, ob das Gemüse gewaschen wurde oder wie der Kunde anreist“, sagt Ökologin Michaela Theurl, die dazu am Institut für Sozialökologie der Alpe Adria Universität Klagenfurt und am Forschungsinstitut für Biolandbau (Fibl) forscht. Sie ist auch im Forschungsprojekt zum Thema Wintergemüse involviert, an dem mehrere Institute (darunter Bio Austria, die Gartenbauschule Schönbrunn oder die Boku Wien) und sechs landwirtschaftliche Biobetriebe teilnehmen.

Dahinter steckt nicht nur die Idee, möglichst umweltschonend regionales Gemüse zu produzieren, sondern die vorhandenen Flächen auch im Winter zu nutzen. Unter Wintergemüse wird jenes verstanden, das von November bis März geerntet wird. Klassisches Lagergemüse war dabei nicht Teil des Forschungsprojekts, Blattgemüse, Salate, Jungzwiebeln oder Radieschen hingegen schon. „Wichtig war uns, dass es sich um unbeheizte Kulturen in Erde handelt, und mit möglichst wenig Betriebsmitteleinsatz“, sagt Theurl.

Sie hat auch ein paar Beispiele parat, die deutlich machen, wie schnell sich die Ökobilanz eines Lebensmittels durch eine Veränderung in einem Bereich verschlechtern kann. So hat etwa nicht verpacktes Wintergemüse, das in einer unbeheizten Kultur gewachsen ist, ein CO2-Äquivalent von rund 100 Gramm pro Kilogramm Gemüse. „Kommt der Transport dazu, liegt das CO2-Äquivalent bei 120 bis 140 Gramm. Wenn die Verpackung dazukommt, also eine 100 Gramm fassende Plastikschale, liegt das CO2-Äquivalent bei rund 600 Gramm“, rechnet Theurl vor. Die CO2-Emission, die etwa bei der Herstellung eingespart wurde, kann also durch eine kleine Plastikschale zunichtegemacht werden.

Ähnlich verhält sich das übrigens bei einem klassischen Sommergemüse, zu dem Theurl ebenfalls geforscht hat. So hat sie herausgefunden, dass österreichische Paradeiser, die in einem beheizten Tunnel kultiviert werden, mehr CO2 verursachen als spanische Paradeiser, die in einer unbeheizten Kultur gewachsen sind.

Auch das ist übrigens ein Grund, warum die einzelnen Initiativen und Forschungsstellen regionales Wintergemüse forcieren wollen. „Uns ist wichtig, zu zeigen, dass es auch unbeheizt geht. Das ist eine echte Alternative für Klein- und Mittelbetriebe“, sagt Theurl. Und: Die Gastronomie sei daran sehr interessiert.

Gemüse

Forschungsprojekt Wintergemüse
Seit 2014 gibt es das Forschungsprojekt Wintergemüse, hinter dem mehrere Initiativen stehen (u. a. Bio Austria, die HBLFA Gartenbau Schönbrunn oder das Forschungsinstitut für Biolandbau) und anfangs sieben, mittlerweile bzw. beim zweiten Durchlauf sechs landwirtschaftliche Bio-Betriebe teilnehmen. Nähere Infos zu Wintergemüse findet sich unter www.bio-austria.at/wintergemuese bzw. in dem Buch „Frisches Gemüse im Winter ernten“ von Wolfgang Palme (Löwenzahn Verlag).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2017)

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