Bilanzfälschung bei Kika-Leiner Mutter: Aktie im freien Fall

APA/HELMUT FOHRINGER
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In Bezug auf Bilanzunregelmäßigkeiten seien neue Informationen ans Licht gekommen, teilt der Möbelkonzern Steinhoff mit. CEO Markus Jooste, der auch wichtige Steinhoff-Firmen in Österreich leitet, tritt zurück. Die Aktie verliert zwei Drittel ihres Werts.

Die kika/Leiner-Mutter Steinhoff zieht im schwelenden Bilanzskandal die Notbremse: Der Möbelhaus-Konzern trennt sich wegen Unregelmäßigkeiten in den Büchern von seinem Chef - und verschiebt die Vorlage seiner Jahreszahlen auf unbestimmte Zeit. Auch der Chef der Afrika-Tochter Star nimmt seinen Hut. Die Börsenaufsicht in Südafrika prüft mögliche Fälle von Insiderhandel mit Steinhoff-Papieren.

Für die auch im deutschen MDax notierten Steinhoff-Aktien ging es in der Folge steil abwärts. Am Mittwoch verloren die Papiere mehr als zwei Drittel ihres Wertes. Das Minus am Nachmittag: 71 Prozent. Der Aktienkurs, die im August des Vorjahres 6,14 Euro gekostet hatte,  fiel auf 85 Cent. In Johannesburg sackten die Papiere  ebenfalls um 70 Prozent auf den niedrigsten Stand seit sieben Jahren. Einer der Großaktionäre forderte "große Anstrengungen" des Managements, den Sachverhalt aufzuklären. Investment-Manager Omri Thomas von Abax Investments befürchtet allerdings, dass Resultate frühestens im Januar zu erwarten seien und die Unsicherheiten bis dahin bestehen blieben. "Was für ein Chaos" titelten die Analysten von Kepler Cheuvreux in einem Kurzkommentar. "Da kommt noch mehr", befürchten sie.

Milliardär übernimmt das Ruder

Bereits am Vorabend hatte sich Steinhoff mit sofortiger Wirkung vom bisherigen Konzernchef Markus Jooste getrennt. Aufsichtsratschef Christo Wiese soll den Konzern nun übergangsweise führen. Der 76-jährige Multimilliardär ist mit rund 23 Prozent größter Einzelaktionär von Steinhoff, gefolgt von Public Investment Corp mit 8,5 Prozent und Coronation Fund Managers mit 5,2 Prozent.

Als Grund für den Rücktritt des CEO, der in seiner fast 20-jährigen Amtszeit Steinhoff vom südafrikanischen Möbelhersteller zu einem der weltweit größten Haushaltswaren- und Möbelkonzerne entwickelt hat, nannte die Gesellschaft neue Informationen über finanzielle Unregelmäßigkeiten. Möglicherweise müssten auch die Zahlen von früheren Jahren geändert werden. Die Prüfgesellschaft PwC soll nun eine unabhängige Untersuchung durchführen.

Die geprüften Zahlen für das Ende September abgelaufene Geschäftsjahr will das Unternehmen nun erst veröffentlichen, sobald es dazu in der Lage ist, wie es hieß. Eigentlich war die Zahlenvorlage für Mittwoch vorgesehen.

Der Konzern hat seinen Rechtssitz in Amsterdam und hat sein operatives Hauptquartier in Südafrika. In den USA hatte der Konzern im vergangenen Jahr den Matratzenhändler Matress Firm zugekauft.

Im September brachte Steinhoff seine Afrika-Tochter Star an die Börse. In dieser sind neben Möbel- und Textilketten auch Elektronikhändler, Baustoffmärkte und Finanzdienstleitungen gebündelt. Star-Chef Ben La Grange gab am Mittwoch ebenfalls seinen Rücktritt bekannt, Nachfolger wird Leon Lourens. Dabei beteuerte der Konzern, von den Vorgängen bei Steinhoff nicht betroffen zu sein.

Verdacht seit Sommer bekannt

Im Sommer waren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Oldenburg (Niedersachsen) wegen des Verdachts der Bilanzfälschung bekannt geworden. Bereits daraufhin brach der Aktienkurs ein. Steinhoff hatte die Vorwürfe unredlicher Geschäftspraktiken zurückgewiesen. "Wesentliche Fakten und Vorwürfe sind falsch oder irreführend", teilte der Konzern Ende August mit. Zudem habe das Unternehmen schon im Jahr 2015 auf Untersuchungen wegen Bilanzfragen hingewiesen.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hatte bestätigt, dass sie Ermittlungen gegen Manager eines Möbelkonzerns aufgenommen hat. Ermittelt werde gegen "vier aktuelle und ehemalige Verantwortliche eines Konzerns, zu dem unter anderem ein Möbelhandel-Unternehmen in Westerstede gehört, wegen des Verdachts der unrichtigen Darstellung in Bilanzen". "Hierdurch könnte gegebenenfalls auch der Bilanzwert des Konzerns zu hoch dargestellt worden sein." Steinhoff hat seine Europa-Zentrale in Westerstede.

Im Fokus der Ermittlungen standen laut Staatsanwaltschaft Verträge über Verkäufe von Firmenanteilen im jeweils dreistelligen Millionenbereich. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens sei zudem eine Strafanzeige einer dritten Person wegen des Verdachts der Urkundenfälschung erstattet worden.

Zudem schwelt ein Rechtsstreit zwischen Steinhoff und einem ehemaligen Joint-Venture-Partner. Im September stellten die OM Handels GmbH und WM Handels GmbH bei der Handelskammer des Amsterdamer Gerichtshofs einen Antrag auf ein Verfahren im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss 2016. Die Unternehmen gehörten dem früheren Geschäftspartner.

Am Dienstag gab nun die südafrikanische Finanzaufsicht bekannt, dass sie mögliche Fälle von Insiderhandel mit Aktien verschiedener Unternehmen prüft, darunter die von Steinhoff.

Viele Steinhoff-Firmen in Österreich

Steinhoff - an der Börse derzeit noch 3,8 Milliarden Euro - ist nach Ikea der weltweit zweitgrößte Möbelhändler. Im Vorjahr wurden 13,4 Millliarden Euro umgesetzt, der Gewinn stieg von 722 Millionen auf die Rekordhöhe von 1,22 Milliarden Euro. Die Zahl der Mitarbeiter wurde mit rund 106.000 beziffert.

Viele Fäden im Steinhoff-Konzern laufen am Rennweg 77 in Brunn am Gebirge zusammen. Dort ist unter andem die Steinhoff Europe AG angesiedelt mit dem deutschen Konzerngründer Bruno Steinhoff als Aufsichtsratsvorsitzenden und dem nun zurückgetretenen CEO Markus Jooste als Vorstandsmitglied. Die Steinhoff Europe  ist zu 100 Prozent Eigentümerin von Töchtern in der Schweiz, Deutschland, einer Beschaffungsfirma in China - und auch der Steinhoff Möbel Holding mit mehr als ein Dutzend Töchtern in Holland, Polen, Deutschland und der Schweiz.

Die Steinhoff-Holding Genesis Investment hat ihren Sitz ebenfalls in Brunn am Gebirge. Ihr gehören - nebst der Branding Holding - die Möbelketten Kika und Leiner. Auch die Steinhoff Finance Holding (Chef Markus Jooste) logiert in Brunn.


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(Reuters)

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