Der Nachwuchs liegt auf Eis

Die Erste Bank Liga begeistert mit zehn Vereinen Fans und Sponsoren. Solange der Erfolg stimmt, setzen die Klubs auf Legionäre. Heimische Talente hingegen haben es schwer.

Eishockey in Österreich boomt. Tausende Fans strömen Runde für Runde in die Eishallen der Erste Bank Liga. Der längste Grunddurchgang aller Zeiten von 59 Runden stört sie nicht. Auch ist es für Fans und Sponsoren kein Problem, dass ihr Sport nur im Bezahlsender Sky über die Schirme flimmert. Das Verlangen nach Checks, Schlagschüssen und ruppigen Attacken ist hierzulande seit einigen Jahren ungebrochen stark. Und das allen Unkenrufen zum Trotz. Denn Österreichs Eishockey war nicht immer so erfolgsverwöhnt.

Ende der 90er-Jahre stand Eishockey in Österreich vor dem Nichts. Vier Vereine – KAC, VSV, VEU Feldkirch und WEV – hatten sich in einer Viererliga 52-mal pro Saison exklusive der Play-offs duelliert – und das Publikum fadisiert. Dann zerbrach die intime Langeweile jäh. Zuerst ging im Jahr 2000 der Euroliga-Winner VEU finanziell k. o., wenig später Wiens Traditionsklub WEV.

Zu teuer waren die Legionäre. Und zu absurd war der Anspruch, eine international bedeutungslose Liga mit einer horrend teuren Ansammlung ehemaliger NHL-Stars gewinnen zu wollen.


Fusion mit der Nationalliga. Der von Bürokratie und Regeln bestimmte Verband reagierte und trieb die Fusion der obersten Liga mit der zuvor stiefmütterlich vernachlässigten Nationalliga voran. Trotz der Proteste und Einwände kleinerer regionaler Klubs gelang vor der Saison 2000/2001 der Kraftakt, mit dem die Erste Bank Liga aus der Taufe gehoben wurde.

Es begann als Achterliga, heute ist der Spielbetrieb zu einer belebten Zehnerliga ausgewachsen, mit den slowenischen Klubs Jesenice und Laibach, Ungarn aus Fehervar und dem Neuling aus Zagreb. Billiger aber wurde der ab dem 21.Februar im Play-off-Modus laufende, aufgeblähte Spielbetrieb nicht. Liga-Krösus Salzburg soll allein für Spieler über drei Millionen Euro pro Saison ausgeben. Die Vienna Capitals überweisen pro Saison immerhin zweieinhalb Millionen, und Graz lässt seinen Cracks zwei Millionen zukommen.

Spitzenlegionäre kassieren in Österreich bis zu 100.000 Euro netto pro Saison. Im Vergleich zum Fußball ist das ein Pappenstiel. Doch für die Klubs summiert es sich trotzdem. Immerhin beschäftigen die rot-weiß-roten Klubs der Erste Bank Liga im Durchschnitt 7,6Legionäre. Außerdem kommen noch Wohnung und Auto dazu. Obendrein leuchten auch Österreicher aus der „Pay-Roll“. Der Bestbezahlte soll KAC-Stürmer Dieter Kalt jr. sein. Mit 150.000 Euro. Netto, versteht sich.


Mäzene bestimmen Eishockeyliga. Für den von Mäzenen wie Hans Schmid (Capitals), Heidi Horten (KAC), Jochen Pildner-Steinburg (Graz) oder Didi Mateschitz (Salzburg) getragenen Sport ist es ein teurer Spaß. Und nie zuvor war der Ligabetrieb im österreichischen Eishockey so groß wie heute. Nie zuvor waren die Hallen so gut besucht wie dieser Tage. Der KAC lockt im Schnitt 5133 Fans zu Heimspielen an. In Wien drängen seit Jahren 4000 Besucher in die Albert-Schultz-Halle zu den Heimspielen der Capitals. Das rege Zuschauerinteresse führte sogar dazu, dass die Spielstätte bis 2011 auf 7000 Sitzplätze ausgebaut wird. Mit kräftiger finanzieller Unterstützung der Stadt Wien.

Und auch die anderen Klubs sehen sich mit einer paradoxen Situation konfrontiert: Denn viele Fans bedeuten auch höhere Investitionen. Und so befinden sich die Klubs auch in einem finanziellen Spagat zwischen Attraktivität und Show, Spielerkosten und Hallenmieten. Und ohne hoch dotierte Legionäre sind die hochgesteckten Ziele der Klubs nicht zu erreichen.

Das widerspricht dem Begehren von Verbandspräsidenten Dieter Kalt, der um WM-Teilnahmen und Olympia-Besuche bangt, obwohl das A-Team seit der A-WM 2004 in Prag durchwegs ein Paternoster-Dasein führt und sich als „Höchststrafe“ heuer im April – bei der B-WM in Tilburg, Niederlande – versuchen darf. Zu viele Legionäre seien schuld daran, dass sich Österreichs Hockey nicht entwickle, lautet Kalts Credo. Den Österreichern fehle Praxis und Ausbildung. Dem halten Ligavertreter energisch entgegen, dass es der Österreichische Eishockeyverband (ÖEHV) seit Jahrzehnten verabsäumt habe, für Hallen und Nachwuchsligen zu sorgen. Während in der Schweiz 157 Eishallen stehen, findet man in ganz Österreich gerade einmal 26 Stück.

Auf eine seit vielen Jahren von Experten geforderte Juniorliga warten Österreichs Eishockeytalente vergeblich. Der Nachwuchs werde sträflich vernachlässigt, meinen Kritiker. Nicht umsonst nehmen Größen wie Thomas Vanek, Thomas Pöck oder Michael Grabner Reißaus aus der Heimat. „Wer im Eishockey etwas erreichen will“, sagte Verbandsmanager Giuseppe Mion einst zur „Presse“, „muss ins Ausland gehen. In Österreich hast du keine Chance.“ Dass es auch heute noch so ist, bestätigt das Interview mit dem Buffalo-Star (siehe oben). Noch immer spielen im österreichischen Eishockey persönliche Befindlichkeiten, Freunderlwirtschaft und Lobbying die Hauptrollen.


Kurioses Punktereglement. Allerdings spricht die Statistik doch für einige Österreicher. Thomas Koch führt in der Liga die Plus/Minus-Wertung an, Roland Kaspitz lieferte bisher die meisten Torvorlagen. Aber die breite Masse läuft blass neben dem Puck einher. Deshalb werden in entscheidenden Situationen immer Legionäre spielen. Welcher Klubpräsident ist schon der Feind seiner eigenen Geldbörse?

Zumal es in Österreich ein ziemlich kurioses Reglement gibt, was den Einsatz von Legionären betrifft. Denn hierzulande geht es nicht nach Köpfen, sondern nach Punkten. Jeder Spieler hat eine bestimmte Wertigkeit. Legionäre zählen vier Punkte, genauso Teamspieler. Nachwuchsspieler werden mit ein bis drei Punkten belegt. Der Kader eines Klubs darf maximal 65Punkte repräsentieren.

Zumindest wurde mit diesem System dem in Österreich lange Zeit gepflegten Größenwahn ein Riegel vorgeschoben. Finanzielle Auswüchse und absurde Gagen wurden zur Seltenheit. Wer nicht ins Punkteschema passt, wird nicht mehr zu jedem Preis verpflichtet, egal, ob Österreicher oder „Transferkartenspieler“. Es ist eine Form von Selbstschutz, denn die Liga hat ihre Lehren aus der Vergangenheit gezogen.

Schießt ein Klub trotzdem über das Ziel hinaus, bezahlt er seine Rechnung selbst. Wie Innsbruck, das vergangene Saison den Rückzug in die Nationalliga antreten musste. Ersatz war mit Zagreb schnell gefunden. Die Zeiten, in denen sich vier Klubs „gelangweilt haben“, sind Vergangenheit. Österreichs Liga steht auf guten Beinen. Nur noch im Verband fehlt ein frischer Wind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2010)

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