US-Außenminister Rex Tillerson kritisiert das russische Vorgehen in der Ukraine. Im Gegenzug wirft Russlands Ressortchef Sergej Lawrow den USA die Gefährdung des Nahost-Friedensprozesses vor.
Wien. Es war eine der größten internationalen Veranstaltungen, die Wien in diesem Jahr gesehen hat. 41 Außenminister waren am Donnerstag und Freitag in der Wiener Hofburg zum Ministerrat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zusammengetroffen. Für Gastgeber Sebastian Kurz war es der letzte große Auftritt als Außenminister. Österreich hatte 2017 turnusmäßig den Vorsitz der OSZE inne. Ab 2018 übernimmt Italien.
57 Staaten gehören der Organisation an. Sie ist ein Forum, in dem sich die USA und Russland gegenübersitzen. Und beide Großmächte waren in Wien durch ihre Außenminister, Rex Tillerson und Sergej Lawrow, persönlich vertreten. Tillerson und Lawrow nutzten das OSZE-Treffen auch dazu, um zu einer bilateralen Unterredung zusammenzutreffen. Gesprächsstoff gab es dabei genug – vor allem wegen des Konflikts in der Ukraine. Der war auch eines der Hauptthemen bei den offiziellen Beratungen der OSZE-Minister. Und weder Lawrow noch Tillerson ließen Zweifel daran, wie groß die Differenzen in der Frage zwischen Russland und den USA sind.
„Rücksichtslose Expansion“
Lawrow nahm dabei die Regierung in Kiew ins Visier: Die ukrainischen Forderungen nach einer UNO-Mission im umkämpften Osten des Landes seien nichts anderes als ein Versuch, „das Minsker Abkommen zu begraben“, sagte der russische Außenminister gestern. Schon in seiner Rede vor den OSZE-Ministern am Donnerstagvormittag hatte er sich kein Blatt vor den Mund genommen: Der russische Außenminister warf der Nato vor, eine „rücksichtslose Expansion“ in Europa zu betreiben. Lawrow konnte sich auch einen Seitenhieb auf Österreich nicht verkneifen. Er kritisierte Wien dafür, drei Journalisten von der Krim Visa verwehrt zu haben. Die drei hatten ihre Einreisegenehmigungen in der österreichischen Botschaft in Moskau beantragt. Wien stellte aber klar, dass die österreichische Botschaft in der ukrainischen Hauptstadt Kiew für die Journalisten zuständig sei. Denn Österreich hat, so wie alle anderen EU-Staaten, die Annexion der Krim nicht anerkannt.
US-Außenminister Rex Tillerson stellte in Wien klar, dass Washington gegenüber Moskau hart bleiben wolle. Man werde die Annexion der Halbinsel Krim durch Russland niemals akzeptieren, sagte Tillerson in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kurz – und nannte seinen österreichischen Kollegen mehrmals – etwas vorzeitig – „Prime Minister“.
Während des Treffens war auch ein Thema präsent, das eigentlich gar nicht auf der Agenda der OSZE-Staaten steht: Die Ankündigung des US-Präsidenten Donald Trump, die amerikanische Botschaft aus Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen (siehe oben). Tillerson verteidigte die Entscheidung: „Wir setzen jetzt einfach den Willen des amerikanischen Volkes um.“ Trumps Entscheidung bot auch Russland eine willkommene Angriffsfläche: Die Verlegung der US-Botschaft „verletzt alle Abkommen“ und mache es schwerer, das Palästinenserproblem zu lösen.
Außenminister Kurz stellte klar, dass Österreich bezüglich Jerusalem bei seiner bisherigen Linie bleiben werde: „Wir denken, dass der Endstatus von Jerusalem durch Verhandlungen geklärt werden muss.“ (w.s.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2017)