Katalonien: Die Rückkehr der Separatisten

Siegesbewusst: Separatistenchef Puigdemont will jetzt Rajoy treffen.
Siegesbewusst: Separatistenchef Puigdemont will jetzt Rajoy treffen.APA/AFP/EMMANUEL DUNAND
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Nach der Regionalwahl in Katalonien droht der Konflikt zwischen Barcelona und Madrid erneut zu eskalieren: Der abgesetzte Regionalchef Puigdemont feiert bereits den „Sieg der Republik“.

Carles Puigdemont ist gut gelaunt, als er aus Brüssel per Videoschaltung mit den Parteikollegen in Barcelona das katalanische Regionalwahlergebnis bespricht. Die Analyse des Nationalhelden im Exil fällt eher salopp aus: „Da sitzt Spanien jetzt ganz schön in der Patsche“, freut er sich. „Rajoy [Spaniens Premier, Anm.] hat das Match gegen uns verloren. Er ist nur noch eine politische Leiche, die europäischen Kanzlern hinterherläuft.“ Das Video wurde Spaniens Medien zugespielt.

Ausgelassene Stimmung herrscht also am Tag nach der katalanischen „Schicksalswahl“ unter Sezessionisten, vor allem unter Puigdemonts Leuten: Nicht nur hat der „Weg von Spanien“-Block seine Mehrheit im Regionalparlament behalten. Sondern die Partei des von Madrid gefeuerten Regionalchefs Puigdemonts, der wegen einer drohender Haftstrafe nach Belgien geflohen ist, bleibt stärkste politische Kraft im Separatistenlager – entgegen allen Prognosen. Offenbar ging die ganz auf Puigdemont-Heroisierung angelegte Wahlstrategie auf.

Vor der internationalen Presse präsentierte sich Puigdemont am Freitag denn auch als staatsmännischer Separatistenanführer. Er feierte den „Sieg der katalanischen Republik“ und „die Niederlage des spanischen Coups“. Doch auch versöhnliche Töne schlug er an. Premier Mariano Rajoy bot er ein „Treffen außerhalb Spaniens an“. Er bestehe nicht auf ein bestimmtes Gesprächsthema, „ich will nur, dass er uns zuhört“: Rajoy hat stets einen Dialog über die Unabhängigkeit abgelehnt. Puigdemont forderte Madrid auf, den Haftbefehl gegen ihn und die anderen Separatisten aufzuheben.


Ohrfeige für Rajoy.
Seine Vertrauten in Barcelona stellen sich allerdings schon auf einen Plan B ein, sollte Puigdemont tatsächlich Regionalpräsident werden. Hinter vorgehaltener Hand sagen sie, dass ihr Chef notfalls bereit sei, von Brüssel aus zu regieren. Denn eine Amnestie ist höchst unwahrscheinlich.

Am Freitag wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen weitere Separatisten wegen „Rebellion“ und „Aufruhr“ im Zusammenhang mit dem verbotenen Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober ermittelt. Als sich Rajoy gestern im gewohnt trocken-bürokratischen Ton an die Presse wandte, erteilte er Puigdemonts Einladung eine klare Absage. Er setze weiterhin auf Dialog, versicherte er. Dieser müsse aber „im Rahmen des Gesetzes“ stattfinden, lehnte er Verhandlungen über eine Abspaltung ab.

Rajoys Gelassenheit täuscht. Dem Premier drohen politisch turbulente Zeiten, mit heftiger Kritik aus den eigenen Reihen und der Opposition. Denn nicht nur hat seine Strategie der „geduldigen Härte“ in Katalonien keine Wirkung gezeigt, sondern nach der von ihm einberufenen Wahl in Katalonien ergibt sich auch genau dasselbe politische Bild wie vor der Krise. Weder die Madrider Notstandsgesetze noch die internationale Isolierung oder drohende wirtschaftliche Misere wegen des Abzugs von Firmen und Investoren setzten den Separatisten zu: Mit rund 48 Prozent der Stimmen und einer Sitzmehrheit bleiben die Sezessionisten ungefähr genauso stark wie vor dem Unabhängigkeitsabenteuer im Oktober. Nicht einmal bei den Abspaltungsgegnern, laut Wahlergebnis immerhin 50,7 Prozent der Katalanen, punkteten Rajoys Konservative. Im Gegenteil: Die seit jeher in Katalonien schwächelnde Volkspartei verlor diesmal sogar sieben ihrer elf Sitze. Überzeugendste „Anti-Unabhängigkeitskämpferin“ ist offenbar die charismatische Inés Arrimadas der national-liberalen Ciutadans. Die Partei ist jetzt zwar stimmenstärkste Kraft im Regionalparlament, eine regierungsfähige Mehrheit mit anderen pro-spanischen Parteien geht sich allerdings nicht aus. „Das ist ein bitterer Sieg“, sagt eine Abgeordnete.

Sicher ist nach all den Wirren dieser Wahl: Polarisierung, politische Instabilität und Unsicherheit bleiben Katalonien erhalten. Ob die Angst vieler Beobachter gerechtfertigt ist, dass die Wahl der Unabhängigkeitsbewegung neuen Aufwind gegeben hat, werden die nächsten Monate zeigen. Aber vielleicht hat Alfons López Tena recht. Der renommierte politische Analyst war selbst jahrelang Abgeordneter der sezessionistischen Zentristen im Regionalparlament. Nun gehört der Katalane zu ihren scharfzüngigsten Kritikern: „In Wirklichkeit streben die separatistischen Parteien gar keinen eigenen Staat an. Aber sie wollen davon träumen. Um ewig die Opfer Spaniens zu spielen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2017)

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