Argentinien: Macris Mühen und Kirchners Beitrag

Argentiniens Staatspräsident Mauricio Macri löste mit seinen Reformbemühungen eine Straßenschlacht aus.
Argentiniens Staatspräsident Mauricio Macri löste mit seinen Reformbemühungen eine Straßenschlacht aus.(c) APA/AFP/LAUREANO SALDIVIA
  • Drucken

Der Staatschef will Reformen und erntet Randale. Die Regierung wähnt umstürzlerische Absichten aus dem Umfeld der Ex-Präsidentin.

Buenos Aires. Keine zwei Monate nach seinem deutlichen Sieg bei den Parlamentswahlen musste Argentiniens Präsident, Mauricio Macri, zur Kenntnis nehmen, wie fragil seine Macht immer noch ist. Während seine Koalition sechs Tage vor Weihnachten im neoklassizistischen Kongress versuchte, das marode Rentensystem des Landes zu reformieren, mutierte der frisch restaurierte Platz davor zum offenen Schlachtfeld. Eine Polizeieinheit – auf richterliche Anordnung ihrer Feuerwaffen entledigt – versuchte mit Schilden, Helmen und Schutzanzügen einem Dauerhagel aus Steinen, Ziegeln und Betonbrocken zu trotzen. Sämtliche TV-Kanäle übertrugen live, wie die Randalierer Gehwege, Parkbänke und Brunnen in einen Steinbruch verwandelten. Mit Tränengas, Wasserwerfern und Motorrädern trieb nach zwei Stunden eine Sondereinheit die Demonstranten auseinander und setzten letztlich doch Gewehre mit Gummigeschossen ein. Am Ende registrierten die Behörden 160 Verletzte, darunter 80 Polizisten und mindestens fünf Journalisten.

Während die Intifada gegen Abend abebbte, konnte das Plenum gerade mal damit beginnen, die Gesetzesnovelle zu debattieren. Sieben Stunden lang hatte die Opposition versucht, mit Eilanträgen die Sitzung vorzeitig zu beenden. Nachdem das nicht gelang, zögerten die Regierungsgegner das Votum durch einen zwölfstündigen Redemarathon hinaus, der wiederum Unterstützung von außen bekam: In mindestens zehn Stadtvierteln zogen Bürger mit Kochtöpfen auf die Gassen und machten ihrem Verdruss Luft. Sie marschierten gegen eine Reform, die das Budget 2018 um knapp vier Milliarden Euro entlasten soll, allerdings auf Kosten von Pensionisten, Invaliden und sozial schwacher Familien. Bis tief in die Nacht schepperten die Töpfe durch diese Sommernacht. Fast so laut wie genau 16 Jahre zuvor, als der Präsident Antonio de la Rúa nach tödlicher Randale kurz vor Weihnachten per Hubschrauber außer Landes floh.

Verbindungen zu Gewerkschaften

War ein solches Szenario das Ziel der Steinewerfer? Tausende Foto- und Videoaufnahmen werden von den Justizbehörden derzeit mit Daten aus sozialen Netzwerken abgeglichen. Die Zeitung „La Nación“ berichtete, dass die Behörden eine Reihe von Personen identifizieren konnten, die aus der trotzkistischen Linken stammen. Aber sie erkannten auch Leute mit Verbindungen zu Gewerkschaften und Bürgermeistern, die der Ex-Präsidentin Cristina Kirchner nahestehen. Am Tage des Zorns hatte die Polizei mehrere Busse aufgehalten, deren Fahrgäste ein Arsenal an Steinschleudern, Hämmern, Stöcken und Messern mit sich führten. Darum vermuten die Behörden eine gezielte Operation, um das Parlament an seiner Arbeit zu hindern oder womöglich gar auszuschalten. Im Präsidentenpalast wird vermutet, die Randale seien eine Reaktion auf eine zuletzt hyperaktive Justiz.

Argentiniens Bundesgerichtsbarkeit, die für Regierungsdelikte zuständig ist, pflegt eine systemerhaltende Tradition: Seit Jahrzehnten adaptieren die zwölf Richter ihre Rechtsauslegung an die politische Großwetterlage. Seitdem Macris Sieg im Oktober die Aussichten auf eine zweite Amtszeit nach 2019 verstärkte, verging kaum eine Woche ohne Verhaftung vormaliger Granden des Kirchner-Systems. Der ehemalige Vizepräsident und Wirtschaftsminister, Amado Boudou, sitzt nun ebenso in Haft wie Ex-Infrastrukturminister Julio de Vido plus dessen vormaliger Abteilungsleiter. Dazu Kirchners langjähriger Steuerberater und die beiden wichtigsten Unternehmer der „Ära K“.

Cristina Kirchner, gegen die zudem zwei Korruptionsprozesse sowie ein Strafverfahren wegen Währungsmanipulationen laufen, kann auf ihre Immunität als frischgewählte Senatorin bauen. Für die Aufhebung dieses Schutzes wären zwei Drittel der Stimmen in der zweiten Parlamentskammer vonnöten. Doch die peronistische Fraktion hat ihre Zustimmung verweigert, obwohl sie sich inhaltlich längst von Kirchner losgesagt hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Für Mauricio Macris Vorgängerin, Cristina Fern´andez, gibt es in Argentinien immer noch viel Zuspruch.
Österreich

Argentinien: Mauricio Macris Ritterschlag

Der WTO-Gipfel startet in Buenos Aires. Als Anerkennung für dortige Reformen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.