Der türkische Präsident Erdogan und sein Außenminister Cavusoglu sind am Freitag auf Charmeoffensive in Frankreich und Deutschland unterwegs.
Istanbul. Vor nicht allzu langer Zeit beschimpfte der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, seine Politikerkollegen in Westeuropa noch als Nazis und Islamfeinde. Doch als er kürzlich über die Staats- und Regierungschefs in der EU sprach, klang das plötzlich ganz anders: Von „alten Freunden“ war die Rede, mit denen er „keine Probleme“ habe. Jetzt besuchen Erdoğan und seine Minister westeuropäische Amtskollegen, die sie lang gemieden haben. Der Präsident wird an diesem Freitag zu seinem ersten Frankreich-Besuch seit zwei Jahren in Paris erwartet, und Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu fliegt am Samstag zu Gesprächen mit Bundesaußenminister Sigmar Gabriel nach Deutschland. Hinter der Reisediplomatie steht eine taktische Neuausrichtung der türkischen Außenpolitik.
Dreh- und Angelpunkt der Neuentdeckung der „alten Freunde“ in Europa sind die im kommenden Jahr anstehenden Wahlen in der Türkei, bei denen Erdoğan das von ihm geforderte Präsidialsystem vollenden will. Unter anderem aus wirtschaftlichen Gründen will er vor dem Wahlkampf die türkischen Beziehungen zu den EU-Staaten normalisieren. So hat Deutschland im Streit um die Inhaftierung von Bundesbürgern in der Türkei die staatlichen Hermes-Bürgschaften für Türkei-Geschäfte deutscher Unternehmen begrenzt.