Bis Sommer will die Regierung in Athen noch weitere Privatisierungen, Einsparungen und Reformen umsetzen, damit das Land wieder kreditwürdig wird.
Athen. Ausregerechnet Alexis Tsipras. Vielleicht gerade, weil es ihm niemand zugetraut hatte, sein Land aus der Abhängigkeit von IWF und Euro-Rettungsschirm zu führen, setzt der griechische Ministerpräsident nun alles daran, die Krise noch in seiner Amtszeit zu beenden. Ab diesem Sommer soll Griechenland wieder finanziell auf eigenen Beinen stehen. Das kündigte der linke Politiker am Montag im Ministerrat an. „Alles deutet darauf hin, dass wir auf der Zielgeraden sind“, sagte Tsipras.
Doch auch dem Syriza-Chef ist mittlerweile bewusst, dass die Kreditwürdigkeit seines Landes nur durch ausreichende Reformen zu erreichen ist. Schon kommende Woche soll deshalb das Parlament mehrere Gesetze beschließen, die weitere Privatisierungen, eine Verschärfung des Streikrechts sowie den Abbau fauler Kredite der Banken betreffen. Für Tsipras, der im Jänner 2015 mit dem Versprechen ins Amt gewählt wurde, den Sparauflagen der Kreditgeber zu trotzen, wird dies eine weitere politische Herausforderung. Denn die meisten der vorgesehenen Reformen treffen seine Wählerschicht.
Die Privatisierung wird Teile des Energieversorgers DEI betreffen, nachdem bereits andere Staatsbetriebe und Häfen an Investoren verkauft worden sind. Das Streikrecht soll eingeschränkt werden, um das Risiko von Produktionsausfällen zu reduzieren. Sie hatten in den vergangenen Jahren mehrfach das Wirtschaftsleben lahmgelegt. Streiks sollen nur noch legal sein, wenn zuvor eine Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder eines Betriebs oder einer Behörde in einer Urabstimmung dafür votiert hatte.
Schuldner werden enteignet
Auch der vorgesehene Abbau fauler Kredite wird eher ärmere Bevölkerungsschichten treffen. Der Gesetzesentwurf sieht die Beschlagnahme von Immobilien säumiger Schuldner vor. Die Gewerkschaften haben bereits Streiks für jenen Tag angekündigt, an dem die Gesetze im Parlament behandelt werden. Im August läuft das dritte Hilfspaket für Griechenland aus. Es umfasste Kredite in der Höhe von 86 Mrd. Euro. Danach – so der Plan der Regierung – sollen die vorhandenen Schulden von insgesamt 180 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung wieder über die Märkte finanziert werden. Zugute kommt Tsipras, dass Griechenland von der verbesserten Wirtschaftslage in Europa profitiert. Dieses Jahr wird ein Wachstum von 2,5 Prozent erwartet. Die Arbeitslosigkeit soll auf 20 Prozent sinken – von 25 Prozent vor zwei Jahren.
Experten warnen aber vor zu viel Euphorie. Die verbesserte Beschäftigungssituation habe vor allem damit zu tun, dass der Anteil der Teilzeitjobs deutlich gestiegen ist. Vor allem junge, gut ausgebildete Griechen haben das Land verlassen, um in anderen EU-Ländern zu arbeiten. Dies führte beispielsweise im Gesundheitssektor zu einem Ärztemangel. (ag./wb)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2018)