Kommt der Rebell zurück?

Hardliner-Separatist Roger Torrent (Mitte) ist neuer katalanischer Parlamentspräsident.
Hardliner-Separatist Roger Torrent (Mitte) ist neuer katalanischer Parlamentspräsident.(c) REUTERS (ALBERT GEA)
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Katalonien. Erstmals seit der vorgezogenen Regionalwahl im Dezember trat das katalanische Parlament in Barcelona zusammen. Ein Separatist wird neuer Parlamentschef.

Madrid. Es war die erste Sitzung des katalanischen Parlaments nach der Regionalwahl im Dezember, bei der die Unabhängigkeitsbefürworter ihre knappe absolute Mehrheit bestätigt bekamen. Aber acht Sitze blieben nun leer, weil die betreffenden Abgeordneten aus nicht ganz gewöhnlichen Gründen verhindert waren: Drei der Abwesenden sitzen in U-Haft. Fünf sind im Exil in Belgien, weil sie vor der Justiz geflüchtet sind und in Spanien mit ihrer Verhaftung rechnen müssen – darunter Kataloniens Ex-Ministerpräsident Carles Puigdemont, der sich trotzdem wieder ins Regierungsamt wählen lassen will.

Gelbe Schleifen leuchten an den leeren Abgeordnetensesseln. Damit will die Unabhängigkeitsbewegung ihre Solidarität mit den fehlenden Politikern ausdrücken: mit Politikern, die laut Separatisten „aus politischen Gründen“ von der Justiz verfolgt werden. Spaniens Nationaler Gerichtshof ermittelt gegen sie, weil sie versucht haben sollen, im Vorjahr mit illegalen Methoden die Unabhängigkeit Kataloniens durchzusetzen. Ihnen wird Rebellion, Anstiftung zur Aufruhr und Veruntreuung von Steuergeldern vorgeworfen.

Schon die Eröffnungsrede an diesem Tag signalisiert, dass der Unabhängigkeitskonflikt noch lang nicht beendet ist. „Wir werden weitermachen“, kündigte Ernest Maragall von der Separatistenpartei Esquerra Republicana (Republikanische Linke) an. Seine Partei hat mit der Bewegung Junts per Catalunya (Zusammen für Katalonien) vereinbart, dass Junts-Spitzenmann Carles Puigdemont vom Parlament wieder zum Ministerpräsidenten gewählt werden soll. Wie dies mit einem Kandidaten, der vor der Justiz auf der Flucht ist, geschehen soll, ist noch unklar.

Darüber wird das siebenköpfige Parlamentspräsidium befinden müssen, wo die Separatisten erwartungsgemäß wieder die Übermacht haben. Zum neuen Parlamentsvorsitzenden wurde mit der Mehrheit des Unabhängigkeitslagers der Separatist Roger Torrent gewählt – ein Hardliner. Die Wahl des neuen Ministerpräsidenten muss spätestens bis zum 31. Jänner stattfinden.

Kein "Skype"-Kandidat im Gesetz

Puigdemonts ursprüngliche Idee, sich aus der Ferne und per Videoschaltung dem Parlament zu stellen und wählen zu lassen, dürfte schwierig werden. Denn der Kandidat muss nach bisherigem Brauch leibhaftig den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Ein „Skype-Kandidat“ ist im Gesetz nicht vorgesehen. Spaniens Zentralregierung kündigte daher bereits an, dass sie eine „Fernwahl“ Puigdemonts vor dem Verfassungsgericht anfechten werde.

Angesichts dieses Szenarios wird nicht mehr ausgeschlossen, dass Puigdemont doch noch auf seinen Plan B zurückgreift und die schon mehrfach angekündigte freiwillige Rückkehr nach Katalonien in die Tat umsetzt. Dann würde er zwar wohl bei seiner Einreise nach Spanien festgenommen. Doch er könnte darauf hoffen, dass der Ermittlungsrichter ihm als Spitzenkandidaten die Teilnahme an der entscheidenden Parlamentssitzung ermöglicht. Schließlich ist er nicht verurteilt und auch nicht mit einem Ämterverbot bestraft.

Einen ähnlichen Fall gab es schon einmal vor 30 Jahren – allerdings im spanischen Baskenland, in dem ebenfalls ein Unabhängigkeitskonflikt brodelt. Im Jahr 1987 war ein Abgeordneter und Ministerpräsidentenkandidat der baskischen Separatistenpartei Herri Batasuna aus der U-Haft und mit Polizeibewachung zum Baskenparlament gefahren worden. Der Politiker, der Juan Carlos Yoldi hieß und wegen Terrorvorwürfen in U-Haft saß, erlitt eine Niederlage und musste anschließend wieder zurück ins Gefängnis. Ein Jahr später wurde er zu 25 Jahren Haft verurteilt, womit seine Politikerkarriere endgültig zu Ende war.

Bei der vorgezogenen katalanischen Regionalwahl im Dezember 2017 hat die Unabhängigkeitsbewegung mit 47,5Prozent 70 der 135Abgeordnetenmandate erobert – also die absolute Sitzmehrheit. Die Neuwahl hat Spaniens Zentralregierung angeordnet, nachdem die Puigdemont-Regierung wegen zahlreicher Rechtsverstöße abgesetzt worden ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2018)

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