„Ich bin Banker, kein Gangster“

Alex Godman (James Norton, neben Faye Marsay) beim Begräbnis des ermordeten Onkels.
Alex Godman (James Norton, neben Faye Marsay) beim Begräbnis des ermordeten Onkels.(c) BBC/Cuba/Nick Wall
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James Norton, um den sich James-Bond-Gerüchte ranken, wandelt sich in „McMafia“ vom englischen Gentleman zum Mafioso. Die 8-teilige Serie ist Thriller und Familiendrama. Die kriminelle Handlung basiert auf journalistischen Recherchen.

Der Vorname passt. Und James Norton macht im Slim-fit-Smoking mit Fliege auf jeder Cocktailparty gute Figur. Nicht nur deshalb ist er seit Wochen damit beschäftigt, zu dementieren, dass er Daniel Craig in der Rolle des James Bond nachfolgen könnte – die britischen Buchmacher führen seinen Namen ungerührt auf der Top-Ten-Liste, neben z. B. Tom Hardy und Michael Fassbender. „Wenn Sie auf mich wetten wollen, lassen Sie das Geld lieber stecken“, sagte Norton dazu laut britischen Zeitungen. Das alles seien nur Spekulationen. Angeheizt wurden diese durch seine neue Rolle in der BBC-Serie „McMafia“, in der er vom smarten Fondsmanager zum Mafioso im Maßanzug mutiert – wenn auch eher unfreiwillig. Eine Verwandlung in insgesamt acht Teilen, der man derzeit auf Amazon Prime zusehen kann (das Streamingportal strahlt die aktuelle Folge jeweils am Tag nach der BBC-Premiere aus).


Heimweh und Liebe. Die Story verwebt die mafiösen Verstrickungen des aus einer im Londoner Exil lebenden russisch-jüdischen Familie stammenden Alex Godman (Norton) mit einem Familiendrama, bei dem es um Alkoholsucht (hervorragend: Aleksey Serebryakov als Alex' vom Heimweh geplagter Vater Dimitri), Betrug, Drogen und echte Liebe geht. Denn neben Angst und Gier ist die Liebe das stärkste Motiv, sich in etwas zu fügen, das einem zuwider ist. Und Godman junior ist die ganze Mafiasache zuwider – er hat in Harvard studiert, spricht nur schlecht Russisch und gibt sich als echter britischer Gentleman.

Während sich seine englische Freundin Rebecca für „ethischen Kapitalismus“ engagiert, will er seinen in Schwierigkeiten geratenen Fonds retten – und watet dabei immer tiefer in den moralischen Sumpf. Godman hat keine Ahnung, worauf er sich einlässt, als er beschließt, von Freunden der Familie Geld anzunehmen – um den Tod seines Onkels zu rächen, den Obermafiosi Vadim (Merab Ninidse) aus Rache ermorden ließ. Godman musste mit ansehen, wie seinem Onkel zwischen Kaviar und Champagner die Kehle durchgeschnitten wurde. „Ich bin ein Banker, kein Gangster“, erklärt er später Vadims Gegenspieler Semiyon Kleiman (aalglatt: David Strathairn), der ihn in das Geldwäschegeschäft einweiht. „Ich brauche auch nur einen Banker“, entgegnet der: „Diese Kriege werden in den Vorstandsetagen geführt. Geld zu verschieben ist ihre Waffe.“


Buch von Misha Glenny. Ein bisschen Mafia, das geht nicht. Bis Godman das erkennt, gibt es für ihn kein Zurück mehr. Wie die Clans rekrutieren und arbeiten, das weiß auch Misha Glenny, dessen gleichnamiges Mafia-Buch die Basis für diesen TV-Thriller liefert. Als Korrespondent hat Glenny für den „Guardian“ und die BBC über den Jugoslawien-Konflikt berichtet und sich später auf organisierte Kriminalität und Cyberkriminalität spezialisiert.

Für seinen Bestseller „McMafia“ interviewte er Mafiosi, Polizisten, Opfer, recherchierte über bewaffnete Überfälle in der Ukraine, Geldwäsche in Dubai, Drogensyndikate in Kanada und Cyberkriminelle in Brasilien . . . Die Drehbuchautoren Hossein Amini und James Watkins stellen der Härte der Clans die Fürsorglichkeit gegenüber, die nicht nur in Godmans Familie herrscht: Auch Vadim ist seiner fröhlichen Tochter ein aufmerksamer Vater, der sich mit ihr über die neue Handtasche freut – dass er gerade einen Mann brutal mit einer Eisenstange erschlagen hat, davon hat sie keine Ahnung . . .

„McMafia“: Die neuen Folgen immer montags auf Amazon Prime.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2018)

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