Triumph eines Urgesteins

Miloš Zeman gelang es in der Stichwahl, viele Nichtwähler zu mobilisieren.
Miloš Zeman gelang es in der Stichwahl, viele Nichtwähler zu mobilisieren.(c) REUTERS (STRINGER)
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Bei der Präsidenten-Stichwahl in Tschechien hat sich Amtsinhaber Zeman knapp gegen Politneuling Drahoš durchgesetzt. Entscheidendes Thema: Migration.

Tschechien erlebt keinen neuen „Frühling“. Die von entsprechenden Umfragen getragenen Hoffnungen vieler auf einen Wechsel von Amtsinhaber Miloš Zeman hin zum früheren Chef der Akademie der Wissenschaften und Politikneuling Jiří Drahoš, erfüllten sich nicht.

Zeman führte von Beginn der Auszählung an, teilweise hatte er zehn Prozentpunkte Vorsprung. Am Ende wurde es immer knapper für ihn, aber gegen 16 Uhr war sich das tschechische Fernsehen sicher, dass Drahoš den Vorsprung Zemans selbst in seiner Hochburg Prag nicht mehr würde aufholen können. Zu diesem Zeitpunkt herrschte auch schon eitel Freude und Jubel in dem Prager Hotel, in dem sich Zemans Freunde eingefunden hatten. Nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen konnte Zeman 51,5 Prozent für sich verbuchen, auf seinen Herausforderer entfielen 48,5 Prozent.

Damit siegte das politische Urgestein gegen den Neuling in der tschechischen politischen Arena. Dieser Unterschied war einer der entscheidenden für den Ausgang der Stichwahl. Immer wieder hatte das Zeman-Team die Leute gefragt: „Wenn Sie Ihre Großmutter zu einer Operation ins Krankenhaus begleiten – von wem würden Sie sie operieren lassen? Vom Chefarzt oder von einem Anfänger?“ In dem zweiten der beiden Fernsehduelle setzte auch Zeman selbst ganz bewusst auf diese Karte: „Professor Drahoš hat keinerlei Erfahrung in der Politik. Ich habe 25 Jahre gebraucht, um dieses Geschäft zu lernen, und ich bin immer noch nicht perfekt darin.“ Auch die während der Auszählung der Stimmen im Fernsehstudio versammelten Experten waren sich einig, dass am Ende die politische Erfahrung für Zeman den Ausschlag gegeben habe.

Aber das allein hat seinen Sieg nicht gesichert. Ihm ist es vor allem gelungen, Nichtwähler aus der ersten Runde zu mobilisieren. Um eine Million von ihnen gaben ihm ihre Stimme. 25 Prozent der Nichtwähler gingen zu Zeman, nur 15 Prozent zu Drahoš. Das konnte Drahoš auch nicht durch jene Wähler ausgleichen, die in der ersten Runde für die dann ausgeschiedenen Kandidaten votiert hatten.

Feindbild Flüchtlinge. Ein weiterer entscheidender Grund für den knappen Sieg Zemans war inhaltlicher Art. Dessen Lager hatte vor der Stichwahl täglich mit ganzseitigen Anzeigen in den Zeitungen den Eindruck zu erwecken versucht, Drahoš wolle Tschechien für eine riesige Welle von Flüchtlingen – und damit Terroristen – öffnen. Drahoš wies das zwar entschieden zurück. Er sperrte sich – nicht anders als Zeman und die Regierung – gegen EU-Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen. Aber er hatte auch gesagt, Tschechien sei stark genug, die einst versprochenen 2.600 Flüchtlinge aufzunehmen und zu integrieren. Das ist ihm immer wieder von Zeman vorgeworfen worden und hat maßgeblich zur Niederlage beigetragen. Das Zeman-Lager hatte Drahoš auch mit gefälschten Aussagen und einem Foto an die Seite der deutschen Kanzlerin Angela Merkel gestellt und ihn den „Willkommens-Präsidenten“ genannt. Derlei wiegt, wie sich in der Stichwahl zeigte, schwer in Tschechien. Kein anderes Thema vermag seit zwei Jahren die Mehrheit der Tschechen so auf die Palme zu bringen wie das Migrationsproblem.

Schließlich trug zum Sieg Zemans auch bei, dass der sich im zweiten Fernsehduell, das eine Rekordeinschaltquote verzeichnete, nicht wie sonst flapsig und überheblich aufführte. Zeman suchte hier vielmehr den Eindruck eines wirklichen Staatsmannes zu erwecken. Seine Gegner hatte ihm immer vorgehalten, nie über einen normalen Politiker hinausgekommen zu sein, auch wenn er als solcher nach seinen Vorgängern Václav Havel und Václav Klaus zweifellos die tiefsten Spuren in Tschechien seit der demokratischen Wende 1989 hinterlassen habe.

Drahoš erkannte nach Auszählung von mehr als 95 Prozent der Stimmen seine Niederlage an und gratulierte Zeman zum Sieg. Seinen Anhängern aber rief er zu: „Wir haben nicht verloren. Energie geht nicht verloren, und wir haben viel Energie in diesen Wahlkampf gesteckt.“ Über die weitere Zukunft wollte Drahoš zunächst nichts verraten.

Wahlsieger Zeman zeigte sich erleichtert über den „relativ knappen Sieg“ und die große Wahlbeteiligung. Es sei sein „letzter politischer Sieg“, aber er werde auch „nie mehr verlieren“, sagte er unter Verweis darauf, dass der Präsident nur zwei Wahlperioden im Amt sein darf. „Eine Verfassungsänderung werde er nicht initiieren“, fügte er schmunzelnd hinzu.

Mit dem Sieg von Zeman wird Tschechien im Verbund mit den anderen drei Visegrád-Staaten Slowakei, Polen und Ungarn weiterhin ein harter Widerpart innerhalb der EU vor allem in Sachen Migration bleiben. Auch Premier Andrej Babiš steht da fest an Zemans Seite. Beide werden selbst nun ein Machtbündnis schmieden. Die tief gespaltene tschechische Gesellschaft einen werden sie damit aber nicht.

Steckbrief

Miloš Zeman wird am 28. September 1944 in Kolín geboren. Nach der Schule studiert er Wirtschaft in Prag, Abschluss 1969. Vor dem Hintergrund des Prager Frühlings ist er von 1968 bis 1970 Mitglied der Kommunistischen Partei, wird aber ausgeschlossen.

1992 tritt er in die sozialdemokratische Partei ein (er verlässt sie 2007). 1993 wird er Parteichef, 1996 Parlamentspräsident. Von 1998 bis 2002 ist er Ministerpräsident. Danach verkündet er seinen Ausstieg aus der Politik, kandidiert 2003 aber für das Präsidentenamt und verliert. 2009 gründet er die Partei der Bürgerrechte. 2013 wird er zum Präsidenten gewählt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2018)

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