Das härteste Zarterl von Favoriten: "Mich kriegt ihr nicht"

Rapper Nazar legt mit 33 Jahren seine Autobiografie vor.
Rapper Nazar legt mit 33 Jahren seine Autobiografie vor. (c) ROLAND SCHLAGER / APA
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Rapper Nazar (33) legt seine Autobiografie vor. Sie ist keine narzisstische Nabelschau, sondern zeigt die Brisanz des Lebens an der Peripherie.

Seit er derart erfolgreich ist, reklamiert ihn Österreich für sich. Grissemann und Stermann begrüßten ihn als „Bürgermeister von Favoriten“. Der Politiker Peter Pilz zeigte während des letzten Präsidentschaftswahlkampfs stolz Handyfotos, auf denen Nazar den damaligen Kandidaten Van der Bellen „Brudi“ nannte (damals war Pilz noch bei den Grünen). Und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache schließlich klagte ihn, weil ihn Nazar während eines Konzerts mit einem im Rap unerlässlichen Kraftausdruck bedacht hat. Vom ergangenen Gerichtsurteil erfuhr Nazar während einer ausgedehnten, höchst erfolgreichen Deutschland-Tournee.

Das Verfahren verlor der Rapper zwar, seinen Schmäh dagegen nicht. „Der Prozess bescherte mir eine Vorstrafe und H.-C. Strache eine nicht geringe Summe Geld als Entschädigung für das Leid, das meine Worte offenbar seiner Seele zugefügt haben“, erklärte Nazar. „Na, gut, ihr könnt mich zu Geldstrafen verurteilen, aber ihr werdet mich nicht kriegen, ihr feigen Hurensöhne.“

Leidvolle Kindheit und Jugend

Auf 186 Seiten blickt der in Teheran geborene Rapper auf eine leidvolle Kindheit und Jugend zurück, wie sie wohl nicht einmal ein Charles Dickens hätte ersinnen können. Nach dem Tod des Vaters startete Nazars Mutter eine abenteuerliche Flucht mit ihren beiden Söhnen. Mehrfache werden sie aus europäischen Städten in die Türkei zurückgewiesen. Als die vaterlose Familie in Wien ankommt, ist Nazars seltene Infektionskrankheit schon lebensbedrohlich. Deshalb wird vorläufiges Aufenthaltsrecht erteilt. Nazar bekommt einen Platz im Spital in Speising. Während seiner Schulzeit muss er immer wieder dorthin zurück, um sein Bein in schmerzhaften Prozeduren strecken zu lassen. Das hinterließ seelische Wunden. Und so nennt sich das zweite Kapitel seines Buches, das sich über weite Strecken wie ein Entwicklungsroman liest, gar nicht so überraschend „Warum ich immer der Härteste sein wollte“.

In knalligen Metaphern und dem für Hip-Hop typischen, rüden Vokabular erzählt Nazar vor allem auch von den Kämpfen seiner Mutter, die aus einer gutbürgerlichen Existenz im Iran in die Armut einer 26 Quadratmeter kleinen Wohnung in Wien Margareten abgestürzt ist. Später zog die Familie nach Favoriten, bekam dann eine Gemeindewohnung im leicht monumentalen Karl-Wrba-Hof. In der Volksschule wurde er dann Andi genannt. Sein Bruder, Pasha, wurde zu Peter.

Nazars Frustrationstoleranz ist deutlich geringer als die seines Bruders. Immer wieder gerät er in Schwierigkeiten. Er schlägt Lehrer und Mitschüler, verkauft Drogen auf dem Reumannplatz, enttäuscht immer wieder die um sein Wohl kämpfende Mutter. Sein unbändiger Drang zum Eskapismus führt ihn in die schillernde Gegenwelt des Rap. Große Lippe, dicke Hose – dort war alles möglich.

Karriere in Deutschland

Gegen alle Wahrscheinlichkeit machte Nazar Karriere. Zunächst in Deutschland, dann auch hierzulande. Ein guter Teil der Jugend hört genau hin, wenn Nazar laut über Politik nachdenkt. In „Mich kriegt ihr nicht“ bekommen alle Fraktionen ihr Fett ab. Seine differenzierte Haltung beim Thema Immigration ist durchaus erstaunlich. Er wettert nicht nur gegen Rassismus und Fremdenhass, sondern auch gegen jene Neuankömmlinge, die das Sozialsystem ausnützen, sowie gegen jene, die glauben, dass jeder Flüchtling ein guter Mensch sei. Auch mit anderen Sorgen ist er in der Mitte der Gesellschaft angekommen. „Wenn du Fliesenleger, Musiker, Bäcker oder Besitzer eines Döner-Restaurants bist, dann kommt das Finanzamt und fickt dich. Danach kommt die SVA und fragt: ,Bist du schon vergewaltigt worden? Ich wollte dir noch kurz meinen Dildo in den Arsch stecken, um zu kucken, ob da noch Platz ist.‘“

ZUR PERSON

Nazar, dessen bürgerlicher Name Ardalan Afshar lautet, wurde am 20.September 1984 in Teheran (Iran) geboren. Seine Mutter zog mit ihm und seinem Bruder nach Österreich, nachdem sein Vater als Soldat im Ersten Golfkrieg gefallen war. 2006 begann in Wien seine Karriere als Rapper, 2008 erschien sein erstes Studioalbum, „Kinder des Himmels“; er schaffte es mit mehreren Produktionen auf Platz eins der MTV-Charts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2018)

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