„Die Wunderübung“: Steinhauer, ein Coach zum Verlieben

Mit Spielen versucht der Coach, das Paar zu lockern: Striesow, Steinhauer, Szyszkowitz (v. l . n. r.).
Mit Spielen versucht der Coach, das Paar zu lockern: Striesow, Steinhauer, Szyszkowitz (v. l . n. r.). (c) Filmladen/Petro Domenigg
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Michael Kreihsl hat „Die Wunderübung“ in den Wiener Kammerspielen inszeniert. Nun hat er einen Film zum Theaterhit herausgebracht, der weitaus stärker überzeugt.

Sie kennen doch sicher auch diese noblen Abendessen, bei denen sich zwischen edlen Speisen und ebensolchen Weinen plötzlich ein Beziehungsgewitter entlädt, das jeden Bassena-Streit in den Schatten stellt. Und das bei kultiviert wirkenden Paaren, die seit langem verheiratet sind, Kinder haben usw. Brauchen solche Leute Publikum? Wahrscheinlich.

Was sich hinter den Kulissen solcher Dramen abspielt, ist in Daniel Glattauers „Wunderübung“ zu erfahren. Michael Kreihsl hat den Hit in den Kammerspielen inszeniert, nun kommt der Film heraus. Zu Beginn sehen wir eine Wiener U-Bahn, junge, zärtliche Paare und zwei Personen mittleren Alters. Der Mann schaut geradeaus, er fühlt sich unbehaglich. Die Frau ist wütend. Immer wieder bleibt die Kamera mal an ihr, mal an ihm hängen. Der Mann sieht hinüber zur Frau. Will er sie aufreißen? Sie blickt weg. Dann steigen die beiden aus, läuten, sitzen kurze Zeit später im Behandlungszimmer. Erst jetzt ist klar, dass sie ein Paar sind, das zum Ehe-Coaching gekommen ist . . .

Wer braucht saftigen Streit? Viele!

Schon dieser Beginn ist überraschender und witziger als im Theater – und jetzt tritt Erwin Steinhauer auf. Der Seelenklempner ist müde, müde seines Daseins, von dem wir bald mehr erfahren werden, noch müder, ständig Licht in stockfinstere Strindbergsche Ehehöllen zu bringen. Er spult sein Programm ab, er spielt einen routinierten Therapeuten. Wahrscheinlich ist dieser Harald, der sich „Harry“ nennt, ein alter 1968-er, von ihnen gibt es viele in diesem Metier.

Einst war Harry – der „Herr Magister“, wie ihn sein Valentin Dorek, technischer Direktor in einem Flugzeugkonzern nennt – ein idealistischer Verbesserer der Paarwelt und ein Allesversteher. Jetzt möchte dieser Coach am liebsten woanders sein, wohl mit seinem Dackel im Wald. Steinhauer im roten Sakko ist wunderbar. Und noch wunderbarer wird er, wenn er im zweiten Teil des Films einen schlechten Schauspieler spielt, der die „Wunderübung“ vorführt.

Diese darf natürlich nicht verraten werden, wie überhaupt die Geschichte davon lebt, dass man möglichst wenig von ihr weiß. Ehedramen gibt es viele. Meistens treten darin wunderschöne, ewigjunge Menschen auf, speziell in den amerikanischen. Hier sind echte Persönlichkeiten zu sehen, Joana Dorek (hinreißend: Aglaia Szyszkowitz) ist eine jener Damen, die alles schaffen müssen, jahrelang war sie der Prellbock in der Familie, jetzt darf ihr das Alter keinesfalls etwas anhaben. Frau Dorek reibt sich auf, aber vielleicht braucht sie gerade das. Und ihr Mann die elektrisch geladene Stimmung. In nicht wenigen Ehen ist Streit der Treibstoff, der sie erhält und den Sex-Appeal bewahrt. Nur passt das eben nicht ins Bild der bürgerlichen Idylle, in der man stets wohlerzogen miteinander umgeht.

Köstlich: Szyszkowitz, Devid Striesow

Auch der bullige Devid Striesow als Valentin Dorek – ein Deutscher, wie seine Frau betont – ist eine ideale Besetzung. Valentin ist im Job gewohnt zu dominieren. Er hat eine Schwäche für listige Verführerinnen wie die Dame mit dem Vornamen von Brigitte Bardot, die in Wahrheit „eine Boutiquenbesitzerin aus Neujedlersdorf“ war, wie Joana Dorek zornsprühend erzählt. Diese Affäre war nicht haltbar, zuviel Ergebung nervt Valentin. Seine schäumende Gattin dagegen, die ihn im Griff hat und sich nichts gefallen lässt, turnt ihn an. Allerdings wünscht er sich mehr Rage bei der Verführung und weniger im Alltag. Und besprechen will er nichts.

Der ehemalige Journalist Daniel Glattauer versteht sich auf breitenwirksamen, intelligenten Boulevard, was eine seltene Gabe ist. Auch Glattauers Vorgängerstücke „Gut gegen Nordwind“ und „Alle sieben Wellen“ waren große Erfolge. „Die Wunderübung“ aber ist viel besser, die wesentlichen Frontverläufe von Ehedramen sind treffend erkannt und spitz formuliert. Bei der Pressevorführung gab es ungewohntes Gelächter, etwas Seltenes bei abgebrühten Kritikern.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie man aus einem guten Theaterstück einen noch viel besseren Film machen kann, noch dazu war hier mit Kreihsl derselbe Regisseur am Werke. Wen's interessiert, warum und wie das zugeht: Bei Hoanzl gibt es die DVD von der Aufführung in den Kammerspielen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2018)

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