Vučićs „Heimspiel“ in Wien

Treffen in Wien. Serbiens Präsident Vučić bei Bundespräsident Van der Bellen.
Treffen in Wien. Serbiens Präsident Vučić bei Bundespräsident Van der Bellen.(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Serbiens Präsident traf am Freitag Bundespräsident Van der Bellen und Kanzler Kurz. Vučić möchte, dass sein Land 2025 der EU beitritt, und hofft auf die Hilfe Österreichs.

Wien. Die Zeiten, in denen Österreich als einer der schlimmsten Gegner galt, sind lang vorbei. Das war damals in den 1990er-Jahren, als im ehemaligen Jugoslawien noch Krieg tobte und die serbische Führung unter Slobodan Milošević in Österreichs Regierung eine Unterstützerin aller Feinde sah – angefangen von der kroatischen Regierung bis hin zu den albanischen Politikern des Kosovo, die für mehr Eigenständigkeit von Belgrad kämpften. Damals war Aleksandar Vučić ein junger Funktionär der äußerst nationalistischen Serbischen Radikalen Partei, und ab 1998 wortgewaltiger Informationsminister in Belgrad.

Seither ist viel Zeit vergangenen. Vučić hat die Partei gewechselt, tritt nun für einen proeuropäischen Weg ein, wurde Regierungschef und dann Staatspräsident. Wenn er nun nach Österreich kommt, ist es gleichsam ein Besuch bei Freunden. Zwar hat der serbische Präsident etwa in der Frage des Kosovo nach wie vor eine völlig andere Ansicht als die Regierung in Wien. Doch zugleich gehört Österreich zu den wichtigsten Partnern Serbiens in der Europäischen Union – wirtschaftlich und politisch. Österreich ist der größte Auslandsinvestor in dem südosteuropäischen Land. Und die österreichische Regierung macht sich seit Jahren stark für Serbiens Weg in die EU.

Die Beitrittsverhandlungen Belgrads mit Brüssel waren auch eines der Hauptthemen bei Vučićs Gesprächen in Wien. Der serbische Präsident traf am Freitag mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz zusammen.

Nötige Reformanstrengungen

Angesichts der vielen Migranten mit serbischen Wurzeln in Wien und der engen Wirtschaftsbeziehungen habe Vučić bei seinem Besuch gleichsam ein „Heimspiel“, scherzte Van der Bellen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Serben. Van der Bellen versicherte, dass der Beitrittsprozess der Balkanstaaten eine Priorität des österreichischen EU-Ratsvorsitzes im zweiten Halbjahr 2018 sei. Natürlich müssten Serbien und die anderen Beitrittskandidaten noch einige Reformen durchführen. „Ich bin aber überzeugt, dass Serbien und die anderen Länder auf einem gutem Weg sind“, sagte der Bundespräsident.
Serbiens Präsident bedankte sich für Österreichs bisherige Hilfe und versprach, dass nötige Reformen noch umgesetzt würden.

Die EU hat bisher mit Serbien zwölf von 35 Beitrittskapiteln geöffnet. Und auch ein möglicher Zeitpunkt für die Aufnahme in die Union wurde bereits von Erweiterungskommissar Johannes Hahn ins Spiel gebracht: das Jahr 2025. Es gibt aber noch eine ganz spezielle Frage, die Serbiens Weg in die EU verkomplizieren könnte: die Beziehungen zum Kosovo. Der kleine, vorwiegend von Albanern bewohnte Staat feiert in zwei Wochen den zehnten Jahrestag seiner Unabhängigkeit. Belgrad erkennt die Eigenstaatlichkeit des Kosovo nach wie vor nicht an.

Aber auch innerhalb der Europäischen Union gibt es hier keine einheitliche Linie. Der Großteil der EU-Staaten akzeptiert den Kosovo als ein eigenes Land; Spanien, Griechenland, Rumänien, die Slowakei und Zypern tun das aber nicht. Wegen der Probleme mit der Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien scheint Spanien nun seine Position sogar weiter zu verhärten: Madrid soll zuletzt die EU-Kommission aufgefordert haben, den Kosovo aus den Plänen zur Beschleunigung des Erweiterungsprozesses in Südosteuropa auszuschließen.

Schwieriger Dialog mit dem Kosovo

Van der Bellen bestätigte, dass vor allem Spanien Bedenken habe. Insgesamt seien die EU-Mitgliedstaaten aber angesichts der Probleme auf Zypern und des Grenzstreits zwischen Slowenien und Kroatien „ein bisschen gebrannte Kinder“. „Die Union nimmt ungern neue Mitglieder mit ungeklärten Grenzfragen auf.“ Er hoffe auf den Dialog zwischen Belgrad und der Kosovo-Regierung in Prishtina. Der könne eine Lösung bringen, die beide Seiten einigermaßen zufriedenstelle, sagte Van der Bellen. Es sei jedenfalls keine Lösung, wenn nur eine Seite völlig zufrieden sei.

Vučić griff diesen Satz des Bundespräsidenten mit Freude auf: Wolle man eine Lösung, könne nicht eine Seite alles bekommen und die andere alles verlieren, sagte er. Diese Argumentation hat man in Belgrad bereits nach den internationalen Kosovo-Verhandlungen verfolgt, die im Jahr 2006 begonnen haben. Ergebnis der Gespräche war damals der sogenannte Ahtisaari-Plan, der weitreichende Eigenständigkeit für serbische Gemeinden im Kosovo, zugleich aber auch eine staatliche Unabhängigkeit der früheren Provinz vorsah. Serbiens Regierung kritisierte das seinerzeit als „hundertprozentige Umsetzung“ der kosovoalbanischen Wünsche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2018)

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