Zum 100. Todestag: Ein Blümchen für den Gustav

Er liebte seine blauen Reform-Malerkittel, wahrscheinlich genäht vom Avantgarde-Modesalon seiner Seelenfreundin Emilie Flöge: Gustav Klimt am Attersee. Aufgenommen von Friedrich Walker.
Er liebte seine blauen Reform-Malerkittel, wahrscheinlich genäht vom Avantgarde-Modesalon seiner Seelenfreundin Emilie Flöge: Gustav Klimt am Attersee. Aufgenommen von Friedrich Walker.Imagno / picturedesk.com
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Es ist interessant: Wohin man sich wendet in Wien, zu so vielen Adressen aus Gustav Klimts Biografie – man findet ihn nicht mehr. Ein melancholischer Friedhofsgang anlässlich des 100. Todestages des Wiener Meisters am kommenden Dienstag.

Eine Hundezone. Die wäre nicht so Gustav Klimts Fall gewesen, er war eindeutig Team Katze. Die Turngeräte hätten ihm gefallen, er machte täglich Leibesübungen, ja, es gibt sogar ein Gerät zum Rudern im Gustav-Klimt-Park in Penzing, ein Sport, den er in der Sommerfrische am Attersee so liebte. Gegenüber der Spielplatz wäre auch goutiert worden. Klimt mochte Kinder, immerhin soll der heiratsunwillige Polyamorist 16 gezeugt haben, einige hießen Gustav, immerhin für ein paar ist finanzielle Unterstützung überliefert (was damals nicht selbstverständlich war). Zumindest um seine halbverwaiste Nichte Helene, die Tochter seines verstorbenen Lieblingsbruders, hat er sich auffällig gekümmert. Es gibt entzückende Fotos vom Mädchen, das am Bauch dieses seltsamen Onkels in seiner blauen Malerkutte liegt, am Steg am Attersee.

Lauschig mag man den Klimt-Park trotzdem nicht nennen. Er liegt gegenüber von der Stelle, an der Klimts Geburtshaus stand. Damals war es hier in Baumgarten dörflich, das Haus ebenerdig. Heute steht auf der Linzer Straße 247 ein schnörkelloser Gemeindebau. Eine Gedenktafel erinnert daran, dass hier am 14. Juli 1862 der Künstler geboren wurde, der Wien am stärksten prägte und immer noch prägt. Klimt ist der Inbegriff des Labels, unter dem der Wien-Tourismus so geschmeidig dahingleitet: Wien um 1900. Nicht umsonst löste das Belvedere voriges Jahr erstmals das Kunsthistorische Museum bei den Besucherzahlen der Bundesmuseen an erster Stelle ab.

Wer liebt Klimt? Das nickt man kommentarlos ab. Lieben aber tut man Klimt nicht, er erinnert zu viele an zuviel, was man vergessen möchte: Die Bürgerlichen daran, dass Klimt vor allem für jüdische Bürgerliche arbeitete und daran, was u. a. sie diesen kurz darauf angetan haben. Die Arbeiter daran, dass Klimts Kunst samt Wiener Werkstätte etwas Elitäres war, obwohl nicht so gedacht. Die heutigen Künstler daran, dass Klimt für das kitschige Wien-Klischee verantwortlich ist, fürs Schöne und Goldene, das sie abschütteln wollen. Diese Ablehnung bis Skepsis zeigte sich, als die „Goldene Adele“ an die Erben nach Bloch-Bauer 2006 restituiert wurde und weder vorher noch nachher ernsthaft versucht wurde, diese Ikone einer Epoche in Wien zu behalten.

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