Leitartikel

Aus sinnvoller Machtpolitik kann rasch Postenschacherei werden

Personelle Umfärbungen macht jede Regierung. Das ist aus politischen Gründen auch nachvollziehbar. Die Dosierung ist halt entscheidend.

Jetzt ist es also wirklich passiert: die erste große Personalrochade in einem staatlichen Unternehmen. Der Aufsichtsrat der staatlichen ÖBB wird komplett türkis-blau umgefärbt – mehr blau als türkis zwar, aber jedenfalls sind alle Roten draußen. Politische Postenbesetzung nennt man so etwas. Und das ist natürlich für eine Strahlemannregierung, die auf neuen Stil pocht, ein gewisser Makel. Ein Fleck auf der medial gern propagierten weißen Weste. Der allgemein empörte Aufschrei ist also laut vernehmbar. Doch ist er auch berechtigt? Höchste Zeit, die Angelegenheit differenziert zu beäugen.

Punkt eins: Die Empörung vor allem aus dem Lager der Sozialdemokraten ist ziemlich scheinheilig. Ist Werner Faymann dort etwa schon in Vergessenheit geraten? Genau: Er war einmal SPÖ-Verkehrsminister. Als erste Amtshandlung hat er seinerzeit den schwarzen ÖBB-Aufsichtsratspräsidenten Wolfgang Reithofer verabschiedet. Einen fachlich völlig unbescholtenen Manager, wohlgemerkt, aber halt kein Sozialdemokrat. Faymanns Nachfolgerin im Ministerium war dann eine gewisse Doris Bures. Wer sich nicht mehr erinnert: Das war jene Ministerin, die laut dem damaligen Koalitionspartner ÖVP „blutrote Festspiele“ in der Personalpolitik bei ÖBB und Asfinag veranstaltete.

Nur zwei Beispiele der jüngsten Vergangenheit. Aber wir sehen: Umfärbungen hat es anlässlich eines politischen Machtwechsels immer schon gegeben. Was die Sache nicht unbedingt besser macht. „Die anderen haben das auch getan“ ist ja immerhin ein Satz, für den jedes Kleinkind gemaßregelt wird. Zu Recht.

Womit wir bei Punkt zwei der Betrachtungen wären. Beschäftigen wir uns also mit der Frage, ob es eigentlich nicht völlig legitim ist, wichtige Posten in staatsnahen Unternehmen mit Personen des politischen Vertrauens zu besetzen.

Die Antwort ist nicht sonderlich populär, aber sie lautet: Grundsätzlich ja. Jede politische Partei, die in einer Regierung sitzt, schaut natürlich tunlichst darauf, dass ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen operativ auch umgesetzt werden. Jeder Eigentümer eines Unternehmens macht das so. Naheliegend also, dass im eingangs beschriebenen Fall FPÖ-Infrastrukturminister Norbert Hofer – er ist Eigentümervertreter der ÖBB – Personen für das Kontrollgremium ausgesucht hat, denen er vertraut. Die seine Linie vertreten. Hand aufs Herz: Die bisherige Aufsichtsratschefin, Brigitte Ederer, wäre das eher nicht gewesen.

Aber, und damit sind wir beim dritten Punkt: Gerade die türkis-blaue Regierung, die ihren „neuen Stil“ gar so genial vermarktet, wird auch daran gemessen werden, wie sie mit dem leidigen Thema Postenschacher umgeht.

Umfärbungen, um verdienten Weggefährten einen Platz an der Sonne zu ermöglichen, sind grundsätzlich retro – und haben in einer Politik, die Modernität auf ihre Fahnen heftet, absolut nichts verloren. So weit, so klar. Die ÖVP muss ihrem nunmehrigen Koalitionspartner streng auf die Finger schauen: Die Wenderegierung, in der die FPÖ munter ihre Schäfchen an die Futtertröge gerufen hat, ist noch allzu gut in Erinnerung.

Erleben wir da gerade ein Revival? Hofer holte ausgerechnet Monika Forstinger in den ÖBB-Aufsichtsrat. Jene FPÖ-Verkehrsministerin, die in der Wenderegierung eine denkbar schlechte Figur gemacht hatte.

Wenn die Regierung auch meint, was sie postuliert, muss sie bei personellen Umbesetzungen maßvoll vorgehen. Gerade eine Partei wie die ÖVP, die gern ihre Wirtschaftsnähe betont, sollte wissen: Jede Veränderung im Aufsichtsrat sorgt für Unruhe im Unternehmen. Umfärbungen in den Vorstandsetagen erst recht. Die Gerüchte machen schon munter die Runde: Überall – vom Verbund über die OMV bis hin zum ORF – werden neue Kandidaten ventiliert. Wie das bei neuen machtpolitischen Verhältnissen eben so Usus ist.

Ist das wirklich das, wofür Türkis-Blau stehen möchte? Für parteipolitisch motivierte Personalpolitik auch in teilstaatlichen Unternehmen, die an der Börse notieren? Oder doch für objektive Personalpolitik, bei der das Parteibuch egal ist – selbst wenn es ein rotes ist?

Wir sind schon gespannt.

E-Mails an: hanna.kordik@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2018)

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