EU-Grenzschutz kostet 150 Milliarden

Juncker: „Es wird nicht gehen, weniger zu bezahlen und dabei nicht weniger zu bekommen.“
Juncker: „Es wird nicht gehen, weniger zu bezahlen und dabei nicht weniger zu bekommen.“(c) APA/AFP/EMMANUEL DUNAND (EMMANUEL DUNAND)
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EU-Haushalt. Die Kommission legt Berechnungen für die Wünsche der Mitgliedstaaten vor und warnt vor unausweichlichen Kürzungen im siebenjährigen Finanzrahmen für Agrar und Kohäsion.

Brüssel/Wien. Die EU-Kommission hat den Wünschen einiger Mitgliedstaaten – darunter Österreich – nach einem kleineren Gemeinschaftshaushalt nun erste Berechnungen für die nächste siebenjährige EU-Haushaltsperiode gegenübergestellt. Sie machen deutlich, dass die jüngsten Beschlüsse aller Staats- und Regierungschefs zu einer Ausweitung von Aufgaben der EU auch zu steigenden Ausgaben führen werden. Im Gegenzug wären deutliche Kürzungen bei den bisher größten Ausgabeposten – Agrarpolitik und Strukturhilfen (Kohäsion) notwendig. „Wir müssten bei Agrar und Kohäsion kürzen, um diese Aufgaben finanzieren zu können“, so Kommissionspräsident Jean-Claude Junker. Eine Übersicht:

Außengrenzschutz. „Wenn wir den Außengrenzschutz ernst nehmen wollen, brauchen wir Mittel und Stellen“, so EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger. Allein ein Festhalten am bisherigen Modell des gemeinsam gestützten Außengrenzschutzes und der Küstenüberwachung würde für sieben Jahre acht Milliarden Euro kosten. Würden diesen Kontrollen wie angedacht mit einem gemeinsamen Grenzschutztruppe von 3000 Beamten aufgewertet und weitere Verbesserungen umgesetzt, stiegen die Kosten auf 20 bis 25 Milliarden Euro. Ein voller EU-Grenzschutz mit 100.000 Beamten und adäquaten Ausrüstungen würde bis 2027 sogar Ausgaben von 150 Milliarden Euro bedeuten.

Verteidigungsunion. Die Mitgliedstaaten haben sich zu einer stärkeren militärischen Zusammenarbeit entschlossen. Auch diese macht zusätzliche Ausgaben notwendig. Würde die Entwicklung neuer Technologien wie geplant von der EU mitgefördert, müssten allein dafür 3,5 Milliarden Euro aufgebracht werden. Sollen Investitionen im militär-industriellen Sektor angeschoben werden, wären weitere sieben Milliarden notwendig.


Erasmus. Nachdem es einen breiten Konsens der EU-Regierungen über einen Ausbau des Jugendaustauschprogramms Erasmus + gibt, müsste auch hier mehr als bisher investiert werden. Eine angedachte Verdoppelung der Zahl der Teilnehmer würde Ausgaben von 30 Milliarden Euro im nächsten siebenjährigen Haushalt auslösen. Davon würden allerdings höchstens 7,5 Prozent der Jugendlichen profitieren. Soll jeder dritte Jugendliche die Chance erhalten, seine Ausbildung vorübergehend in einem anderen EU-Land zu absolvieren, wären 90 Milliarden Euro notwendig.

Digitale Zukunft. Die EU-Regierungen haben sich dafür ausgesprochen, gemeinsam die digitale Wirtschaft zu fördern. Schon bisher wurden während der vergangenen sieben Jahre für die Förderung in diesem Bereich 35 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Um rascher und effizienter vorzugehen wäre eine Verdoppelung der Investitionen in den digitalen Sektor notwendig. Dies würde das EU-Budget mit 70 Milliarden Euro belasten. Damit könnte EU-weit beispielsweise eine digitale Verwaltung, die Entwicklung von wettbewerbsfähigen Supercomputern und die Forschung für die nächste Internetgeneration finanziert werden.


Investitionsschub. Schon die bisherige EU-Kommission hat mit einem eigens entwickelten Programm Risikoinvestitionen gestützt, für die Banken keine Kredite gaben. Um diese Investitionslücke weiter zu schließen, sind entweder wie bisher 80 Milliarden Euro notwendig oder bei einem Ausbau auf das doppelte Volumen 160.000 Milliarden Euro.


Agrar- und Strukturpolitik. Die Kommission stellte auch Berechnungen für die Fortsetzung der zwei wichtigsten Politikfelder vor. Bisher flossen rund 400 Milliarden Euro in die Bereiche Agrar, Fischerei und Umwelt, 371 Milliarden Euro in die Strukturhilfe. Würde die Agrarförderungen um knapp ein Drittel gekürzt, ergäbe das Einsparungen von 120 Milliarden Euro. Allerdings würden dadurch landwirtschaftliche Betriebe mehr als zehn Prozent ihrer bisherigen Einnahmen verlieren. Würde die Hilfe für Regionen mit einer bereits verbesserten wirtschaftlichen Lage auslaufen, wäre eine Reduzierung um 95 Milliarden Euro bei den Strukturförderungen möglich. Österreichs Regionen würden in diesem Fall keine Unterstützung mehr erhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2018)

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