Dresscode-Absagen und eine Western-Vision

Claudia Eisinger.
Claudia Eisinger.(c) imago/Future Image (Klaus Werner)
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Die diesjährige Berlinale war stark von der #MeToo-Debatte geprägt. Vor allem außerhalb des Kinosaals. Der einzige Wettbewerbsbeitrag zum Thema enttäuschte.

Am Ende blieb der rote Teppich rot. Schauspielerin Claudia Eisinger hatte vor Beginn der 68. Berliner Filmfestspiele unter #BlackCarpetBerlinale eine Online-Petition gestartet, die forderte, den Untersatz fürs Star-Getümmel als Solidaritätsgeste gegenüber der #MeToo-Bewegung dunkel zu halten, in Anlehnung an die schwarz gewandeten Gäste bei den Golden Globes. Mehr als 20.000 unterschrieben, aber Festivaldirektor Dieter Kosslick winkte ab: Er könne die Beweggründe verstehen, doch man wolle lieber mit dem Programm zur Debatte beitragen, statt „Symbolpolitik“ zu betreiben. Tatsächlich war der Diskurs der Berlinale stark von #MeToo geprägt – keine Überraschung bei einem Kulturevent, das sich politische Sensibilität auf die Fahnen heftet. Die Initiative „Nobody's Doll“ rief nach einer Revision der Garderobe bei Berlinale-Premieren, die laut Begründerin Anna Brüggemann ein Frauenbild aus den Fünfzigern reproduziert. Im Vergleich zur Glamour-Hochburg Cannes, wo 2015 einzelnen Besucherinnen aufgrund flacher Absätze der Zutritt zur zentralen Spielstätte verwehrt wurde, hat Berlin in Sachen Dresscode aber ohnehin die Nase vorn.

Zu den konkreten Maßnahmen der Filmfestspiele gehörte die Vermittlung von Beratungsangeboten staatlicher Antidiskriminierungsstellen. Diese sollen um eine übergreifende Beschwerdestelle für sexuellen Missbrauch in der deutschen Filmbranche ergänzt werden – seit den Vorwürfen gegen Regisseur Dieter Wedel steht diese verstärkt in der Kritik. In Rahmenveranstaltungen wurden die Zusammenhänge zwischen Missbrauch und Machtstrukturen diskutiert. Eine davon, „Kultur will Wandel“, wurde von Anhängerinnen der Identitären Bewegung gestört. Auch diese hat #MeToo für sich entdeckt: Die rechten Aktivistinnen warben per Banner für „#120db“ – eine Kampagne, die im Jänner vom Wiener Identitären Martin Sellner initiiert wurde und Frauen dazu aufruft, Erfahrungen mit „Überfremdung, Gewalt und Missbrauch“ zu teilen.

Das propere Image des Festivals störte indes die Programmierung des neuen Films von Kim Ki-Duk. In Südkorea erhob eine Schauspielerin anonyme Anklage gegen den Regisseur, er habe sie am Set geohrfeigt und zu nicht abgesprochenen Sexszenen gedrängt. Kosslick verteidigte die Einladung damit, ein koreanisches Gericht habe den Vorwurf der sexuellen Nötigung aus Mangel an Beweisen fallengelassen. Im Übrigen blitzte im Vorfeld der Berlinale auch eine Anschuldigung gegen Kosslick selbst auf: Eine ehemalige Mitarbeiterin sprach auf der Webseite des „Missy“-Magazins von „sehr schlechtem Verhalten“, zog den Text aber kurz darauf wieder zurück, der Intendant habe sich bei ihr entschuldigt.


Tölpelhafte Frauenversteher. Und das Programm? Das trug, zumindest im Wettbewerb, kaum zum Thema bei. An spannenden Haupt- und Nebenrollen für Frauen mangelte es allerdings nicht, und womöglich ist das viel wichtiger – denn der einzige Film, der wie eine maßgeschneiderte #MeToo-Ermächtigungsfantasie wirkte, enttäuschte auf ganzer Linie. In der bemühten Genre-Satire „Damsel“ entwirft das Regie-Duo David und Nathan Zellner eine Western-Vision, in der tölpelhafte, eingebildete Frauenversteher (gespielt von Robert Pattinson und den Filmemachern selbst) von der wehrhaften Titelheldin (Mia Wasikowska) vorgeführt werden. Wenn der Film seinem Publikum nicht gerade Honig ums Maul schmiert, verkauft er es für dumm. Und das ist noch fruchtloser als Symbolpolitik.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2018)

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