Spekulationsblase: Warten auf den großen Knall

(c) EPA (Bruce Omori)
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Mit einer Politik des billigen Geldes bewahren die Notenbanken Staaten und Unternehmen weltweit vor dem Kollaps. Ein nicht ungefährliches Experiment. Die Frage ist nicht mehr, ob, sondern, wann die nächste Blase platzt.

Als unlängst ein Experte von einem US-Sender um einen Befund zur wirtschaftlichen Verfassung gebeten wurde, dürfte ein paar hunderttausend Amerikanern das Gesicht eingefroren sein. „Nun ja: Wir rasen wieder auf eine Wand zu. Allerdings sitzen wir dieses Mal in einem deutlich schnelleren Auto.“ Nun könnte man freilich einwenden, dass Wirtschaftsexperten in der jüngeren Vergangenheit vor allem dadurch aufgefallen sind, mit Prognosen und Einschätzungen beängstigend falsch gelegen zu sein.

Überschätzte Chancen

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Ökonomen und Analysten auch dieses Mal irren, ist bedauerlicherweise nicht allzu hoch. An den Märkten braut sich nämlich unzweifelhaft etwas zusammen. Für eine ungünstige Druckverteilung sorgen drei Entwicklungen: die enormen Mengen an billigem Geld, die rund um den Globus in den Märkten zirkulieren und nach Veranlagung suchen, die noch immer nicht aus eigener Kraft wachsende Wirtschaft, und die nicht aufgearbeiteten Ursachen für den Ausbruch der letzten (und noch immer aktuellen) Wirtschaftskrise.

Jeder dieser drei Punkte wäre für sich allein gesehen schon ein gröberes Problem. In der Kombination ergibt sich daraus ein Gemisch, das für höchste Explosionsgefahr sorgt. Das deshalb, weil das Zusammentreffen von billigem Geld, einer schwach wachsenden Wirtschaft und nach Anlagen suchenden Investoren das perfekte Umfeld für das Entstehen brandgefährlicher Spekulationsblasen bietet.

Deshalb herrscht in den Chefetagen des IWF und der Notenbanken seit Wochen höchste Nervosität. Die Frage ist nicht mehr, ob, sondern, wann die nächste Blase platzt.

Warum Spekulationsblasen für Angst und Schrecken sorgen, hat vor allem zwei Gründe. Erstens steht an deren Ende eine atemberaubende Vermögensvernichtung. Und zweitens sind sie völlig unberechenbar. Sie werden erst dann sichtbar, wenn sie bereits geplatzt sind. Das wiederum passiert, wenn Investoren auf breiter Front erkennen, dass sie kurzfristige Erfolgschancen überschätzt haben.

An Möglichkeiten für Fehleinschätzungen herrscht derzeit kein Mangel. So haben die internationalen Aktienmärkte seit dem Höhepunkt der Krise im Schnitt um 70 Prozent an Wert gewonnen. In einigen Schwellenländern haben sich die Kurse sogar verdreifacht.

Eine wahre Preishausse gibt es nicht nur bei Aktien, sondern auch bei Anleihen, Edelmetallen und Rohstoffen. Die Preise für Nickel und Kupfer notieren auf Ständen, die üblicherweise in Phasen der Hochkonjunktur zu sehen sind.

Preise wie in Boom-Zeiten

Die hohen Preise wären nicht einmal dann nachvollziehbar, wenn erkennbar wäre, dass die staatlichen Konjunkturspritzen wirkten und ein rasanter Aufschwung vor der Tür stünde. Das ist derzeit aber nirgendwo der Fall. Reduzierten die Staaten ihre aberwitzigen Ausgaben auf Normalniveau, würde sich die Wachstumsillusion mit einem Schlag in Luft auflösen – und mit ihr die Träume vieler Investoren. In vielen Märkten fehlt den hohen Preisen die langfristige Aussicht auf Gewinn. Deshalb deutet sehr viel darauf hin, dass sich gleich mehrere Blasen gebildet haben.

Ihren Ursprung findet die Überschätzung einmal mehr in der Politik des billigen Geldes. Die Notenbanken haben die Märkte mit Unmengen an günstiger Liquidität geflutet und die Zinsen in den Keller gedrückt. Dafür gibt es auch gute Gründe: Schließlich war es oberstes Ziel, die Kreditwirtschaft vor dem freien Fall zu bewahren.

Das ist auch geglückt. Die Crux liegt darin, dass das günstige Geld nicht von investitionsfreudigen Firmen nachgefragt wird, sondern von spekulierenden Anlegern. Das ist eine erschreckende Parallele zur letzten Finanzkrise. Auch damals führte die Geldpolitik der US-Notenbank Fed samt laxer Kreditvergabe zu einer verheerenden Spekulationsblase auf dem Immobilienmarkt.

Heute sind es nicht private Häuslbauer, die mit nahezu kostenlosen Krediten auf steigende Preise spekulieren. Es sind die Banken selbst, die sich günstig in den USA und Europa verschulden, um das geliehene Geld in Märkten mit guten Renditen anzulegen. Etwa in Währungsräumen mit höheren Zinsen, Aktienmärkten von Schwellenländern oder eben in Rohstoffen.

Blendende Geschäfte

Das Geschäft läuft fantastisch, die Banken fahren nach horrenden Verlusten nun wieder Milliardengewinne ein. Das ist weder unanständig noch unmoralisch – die Banken nutzen einfach die ihnen offen stehenden Möglichkeiten. Die Politik hat es nämlich entgegen vieler vollmundiger Ankündigungen verabsäumt, strengere Regeln für die Finanzwirtschaft zu erlassen. Riskante Geschäfte müssen kaum mit Eigenkapital unterlegt werden, zudem halten Banker ja noch immer Blankoschecks der Steuerzahler in Händen, falls die Sache schiefgehen sollte.

Es ist durchaus denkbar, dass diese Schecks schon bald wieder zur Einlösung vorgelegt werden. Etwa, wenn Blasen platzen, weil die überschuldeten Staaten beginnen, ihre Ausgaben (und damit die Konjunkturpakete) zurückzufahren, wodurch die Auftragslage in der Wirtschaft einen schweren Dämpfer erleiden würde. Oder wenn die Politik des billigen Geldes zu Ende geht, um die Gefahr einer Hyperinflation mit höheren Zinsen zu bannen. Anschnallen schadet also nicht – ob wir es nun mit einer größeren Korrektur oder einem Crash zu tun bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2010)

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