Arbeitsmarkt: Für die Frauen geht es voran – aber langsam

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Der Lohnunterschied zu Männern wird kleiner, Österreich nähert sich dem EU-Schnitt ein wenig an. Mehr Frauen bewerben sich für Führungspositionen. Und sie werden auch genommen, wie eine Deloitte-Auswertung zeigt.

Wien. Immerhin: Die Lücke verkleinert sich. Noch im Jahr 2006 verdienten Frauen pro Stunde im Schnitt um 25,5 Prozent weniger als Männer. Bis zum Jahr 2016 hat sich dieser Pay Gap auf 20,1 Prozent reduziert. Im europäischen Vergleich bewegt sich Österreich damit, wenn auch sehr langsam, auf den europäischen Schnitt zu, der zuletzt bei 16,2 Prozent lag. Vor drei Jahren war die Kluft nur in Estland noch größer. Nun ist Österreich auf den fünftletzten Platz vorgerückt und hat dabei Deutschland und Großbritannien überholt.

Die Frage ist nur: Was hat sich hier zum Besseren verändert? Denn die Messgröße der Internationalen Arbeitsorganisation, anhand derer in der EU verglichen wird, ist viel zu grob, um wirklich etwas über Diskriminierung auszusagen. Zwar geht es um Bruttostundenlöhne, womit die größte Unschärfe – die Teilzeitarbeit – korrigiert ist. Aber schon wenn man nur die ganzjährig Beschäftigten betrachtet und öffentlich Bedienstete mit einbezieht, die bei der EU-Kennzahl fehlen, sinkt die Lücke auf 15,9 Prozent.

Um auf den „unerklärbaren“ und damit ungerechtfertigten Rest zu kommen, müsste man aber konsequent Gleiches mit Gleichem vergleichen: Männer und Frauen in derselben Branche, Berufsgruppe, Position, mit ähnlichem Ausbildungsniveau und ähnlicher Dauer der Zugehörigkeit in einer ähnlich großen Firma.

Teilzeitquote steigt weiter . . .

Dazu gibt es keine aktuelle Untersuchung, aber eine grobe Faustregel lässt sich doch heranziehen: Bei einer schon älteren Studie des Wifo kam grob die Hälfte des statistischen Stunden-Gaps als mysteriös bleibender Rest heraus. Umgelegt auf die neuen statistischen Daten würde das bedeuten: Es bleibt eine Lücke von acht Prozent (inklusive Beamten) bis zehn Prozent (nur Privatwirtschaft), an der die Gesellschaft auf jeden Fall arbeiten sollte – sei es, weil Männer in Auswahlverfahren und Berufsalltag diskriminieren (ob bewusst oder unbewusst), Frauen bei Gehaltsverhandlungen zu wenig auf den Tisch hauen oder ganz allgemein die landestypische Mentalität nicht mehr so ganz auf der Höhe der Zeit ist.

In einem bleibt sich Österreich jedenfalls treu: der hohen Teilzeitquote bei Frauen. Sie ist sogar weiter gestiegen, von 40,4 im Jahr 2006 auf 47,7 Prozent 2016. Die kräftige Ausweitung der Erwerbstätigkeit von Frauen – sie erhöhte sich im gleichen Zeitraum von 62,2 auf 67,7 Prozent – ging zum größten Teil in diesen Bereich.

Dieser starke Trend zur Teilzeitarbeit für Frauen ist im europäischen Vergleich außergewöhnlich. Nur in den Niederlanden ist der Anteil noch höher. Das verlockt, einen Zusammenhang zu vermuten: Wenn die Österreicherinnen während des Aufwachsens ihrer Kinder relativ lange nur Teilzeit arbeiten, sei es willentlich oder wegen des mangelhaften Betreuungsangebots – dämpft das dann ihre Karrierechancen und Gehaltsaussichten besonders stark?

Bei manchen Vergleichsländern fällt eine ähnliche Kombination auf: Auch Deutschland und Großbritannien haben beides – besonders viele Frauen sind dort im Arbeitsprozess und arbeiten nur Teilzeit, und überdurchschnittlich hoch ist dort auch die statistische Stundenlohnlücke zwischen Männern und Frauen.

. . . aber erklärt den Gap nicht

Aber so einfach ist die Erklärung dann leider doch nicht: Die Niederlande, Dänemark und Schweden passen gar nicht ins Bild. Auch dort arbeiten viele Frauen nicht in Vollzeit, aber der Pay Gap liegt trotzdem unter dem europäischen Schnitt. Damit bleibt der Statistik Austria nur der vage Verweis auf „länderspezifische Faktoren“, die Österreichs immer noch schlechte Position im europäischen Vergleich erklären könnten. Mit anderen Worten: Man tappt hier im Dunkeln.

Von der Praxisseite gibt es aber ein positives Signal: Frauen fühlen sich auch hierzulande zunehmend für Höheres berufen. Während 2015 nur 22 Prozent der eingehenden Bewerbungen für Führungspositionen von Frauen kamen, waren es im Vorjahr schon 30 Prozent. Das zeigt eine aktuelle Studie von Deloitte. Die Berater haben dazu Daten von 10.000 Bewerbungen für alle relevanten Branchen aus ihrer Recruitingarbeit für heimische Unternehmen ausgewertet. Von niedrigem Niveau aus noch stärker zugenommen hat das weibliche Interesse an der Chefetage: Für Vorstandsposten bewarben sich 2015 nur zehn Prozent Frauen, 2017 bereits 22 Prozent. Auf die Machtverhältnisse in den ATX-Prime-Unternehmen hat sich das freilich noch nicht ausgewirkt: Die Vorstände in den börsenotierten Konzernen bleiben zu 95 Prozent männlich. Von 135 Vorstandsposten sind dort nur sieben an Frauen vergeben. Auch bei der Besetzung der Aufsichtsräte sind die ATX-Firmen mit einem Frauenanteil von 19 Prozent noch weit von der gesetzlichen Quote von 30 Prozent entfernt. Was befürchten lässt, dass die karrierewilligen Frauen bei ihrem Streben nach oben nicht durchkommen.

Gehaltsforderungen ähnlich

Zumindest nach den Deloitte-Zahlen wäre diese Befürchtung aber unbegründet: Der Frauenanteil bei den Besetzungen deckt sich dort so ziemlich mit dem Anteil bei den Bewerbungen. Wobei die Bewerberinnen bei ihren Gehaltsvorstellungen nur wenig Abstriche machen: Sie fordern mit einer Differenz von fünf Prozent nur unwesentlich weniger als Männer.

Das Zauberwort der Personalberater ist das „strukturierte Auswahlverfahren“: Durch genaue Vorgaben für die Prozesse soll eine Diskriminierung von Bewerberinnen ausgeschlossen werden. Die Verhaltensforschung hat in Experimenten gezeigt, dass unbegründete Vorurteile oft unbewusst und damit viel häufiger auftreten, als es sich die Personalverantwortlichen eingestehen würden.

Vorhang gegen Vorurteile

Ein berühmtes Beispiel sind die großen Orchester in den USA: Sie hatten die längste Zeit sehr wenige Frauen in ihren Reihen. Die Juroren, die bei den Vorspielen ihre Auswahl trafen, waren der ehrlichen Überzeugung, zwischen Männern und Frauen keinen Unterschied zu machen. Wenn es so wenige Frauen schafften, dann spielten sie eben schlechter.

Die Wende kam durch einen Vorhang zwischen Jury und Vorspielenden. Siehe da: Sobald das Geschlecht des Bewerbers nicht mehr ersichtlich war, schafften es ähnlich viele Frauen wie Männer in die nächste Runde – und der Anteil der Musikerinnen in den prestigeträchtigen Klangkörpern kletterte in die Höhe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2018)

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