Kosovo: „Unabhängigkeit ist irreversibel“

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Premier Thaçi erwartet Den Haags Respekt für den „Willen der Kosovaren“. "Wir werden alle nötigen Kriterien für die Visafreiheit implementieren. Ich will nicht, dass der Kosovo Geisel bürokratischer Prozeduren bleibt."

„Die Presse“: Am 17.Februar feiert der Kosovo zwei Jahre Unabhängigkeit. Inwiefern hat das Land bisher von der Unabhängigkeit profitiert?

Hashim Thaçi: 65 Länder haben uns anerkannt. Wir wurden Mitglied im Internationalen Währungsfonds und haben mit den Ländern in der Region exzellente Beziehungen aufgebaut – derzeit noch mit Ausnahme Serbiens. Vergangenes Jahr hat die EU-Kommission uns eine Beitrittsperspektive gegeben.

Aber im Kosovo gibt es große Probleme: hohe Arbeitslosigkeit, Korruption, niedrige Löhne für Ärzte.

Thaçi: Natürlich hat die Unabhängigkeit keine Wunder bewirkt. Aber dieses Jahr werden wir wichtige Entscheidungen vor allem in den Bereichen Energie und Infrastruktur treffen. Wir werden Post, Telekom und Wintertourismusressorts privatisieren. Das wird internationale Investitionen und neue Jobs bringen.

Serbien hat im Kampf gegen die Unabhängigkeit des Kosovo den Internationalen Gerichtshof in Den Haag eingeschaltet. Welche Entscheidung erwarten Sie vom Internationalen Gerichtshof?

Thaçi: Ich erwarte, dass der Gerichtshof den Willen der Bürger des Kosovo respektiert. Nach seinem Rechtsgutachten rechne ich mit einer Welle neuer Anerkennungen für unseren Staat.

Serbien hofft hingegen, dann neue Verhandlungen über den Status des Kosovo starten zu können.

Thaçi: Die Unabhängigkeit des Kosovo ist irreversibel.

Die serbische Regierung denkt da anders. Serbiens Außenminister reist durch die ganze Welt und versucht, Länder von der Anerkennung des Kosovo abzuhalten.

Thaçi: Auch wir haben bei unserem Lobbying Erfolge. Länder, die uns bisher nicht anerkannt haben, ändern gerade ihre Meinung – darunter auch Skeptiker in der EU.


Österreichs Außenminister Spindelegger ist am Mittwoch in Belgrad. Was sollte er der serbischen Regierung hinsichtlich des Kosovo sagen?

Thaçi: Es ist wichtig, dass er Belgrad sagt, dass es aufhören muss, negativen Einfluss und Druck auf die Kosovo-Serben auszuüben. Und Belgrad sollte die Unterstützung für einzelne Extremisten im Nordkosovo einstellen. Der Kosovo und Serbien könnten als zwei unabhängige Staaten gut nebeneinander leben. Serbien muss an die Zukunft denken, an die Europäische Union. Nicht an die Vergangenheit: an den Kosovo.

Aber erwarten Sie, dass Serbiens Regierung in den nächsten Jahren die Haltung zum Kosovo ändern wird?

Thaçi: Belgrad weiß, dass der Kosovo unabhängig ist. Doch sie können das nicht öffentlich sagen, da sie negative Reaktionen der Bevölkerung fürchten. Aber die öffentliche Meinung in Serbien hinsichtlich der Eigenständigkeit des Kosovo beginnt sich zu ändern.


Zuletzt hat im Kosovo der Fall von Nazim Bllaca für Aufregung gesorgt. Der Mann hat ausgesagt, er sei Angehöriger des Geheimdienstes der Untergrundarmee UÇK, des späteren Geheimdienstes Ihrer Partei, gewesen. Und er habe im Auftrag des Geheimdienstes Mordanschläge und andere Verbrechen verübt.

Thaçi: Das war ein billiges Wahlkampfdrama. Es war Teil einer negativen Kampagne gegen meine Partei vor den Lokalwahlen. Aber ich bin stolz, dass die Bürger erst recht für mich gestimmt haben. Niemand hat diese Lügen geglaubt, die unsere politischen Gegner verbreitet haben.

Aber gibt es nicht ein Verfahren?

Thaçi: Nur der Mann, der all das behauptet hat, ist in Haft. Die EU-Rechtsstaatlichkeitsmission Eulex kümmert sich um ihn.

Wann erwarten Sie, dass auch der Kosovo Visafreiheit für die EU erhält? Scheiterte der Kosovo bisher an den technischen Kriterien?

Thaçi: Wie konnte nur Serbien von der EU Visafreiheit bekommen, wenn in Belgrad noch immer Kriegsverbrecher spazieren gehen?

Wir werden alle nötigen Kriterien für die Visafreiheit implementieren. Ich will nicht, dass der Kosovo Geisel bürokratischer Prozeduren bleibt. Die Frage der Visaliberalisierung muss von der menschlichen Perspektive betrachtet werden – nicht als politische oder technische Frage. Die Kosovaren sind Europäer.

ZUR PERSON

Ende der Neunzigerjahre startete die kosovo-albanische Untergrundarmee UÇK einen bewaffneten Aufstand gegen die serbische Zentralmacht. Hashim Thaçi war damals politischer Chef der UÇK. Heute ist Thaçi Premier des unabhängigen Kosovo.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2010)

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